David Visnjic

Wouter Dorigo

Eigentlich wollte Wouter Dorigo nicht in die Wissenschaft. Zu langweilig, zu kleinlich sei es ihm gewesen. Heute leitet er die Forschungsgruppe für Klima- und Fernerkundung an der TU Wien und gehört zu den meistzitierten Wissenschaftlern der Geowissenschaften.

Text: Sophie Ströbitzer Foto: David Visnjic

Seit 2017 leitet Wouter Dorigo die Forschungsgruppe Fernerkundung an der TU Wien, im selben Jahr erhielt er auch eine Professur an der Universität. Womit beschäftigt sich Dorigo heute aber konkret?

„Wir verwenden die Erdbeobachtung, um spezifisch die Umwelt- und Klimafragestellung anzugehen. Mit der Fernerkundung kann man sozusagen zurück in die Zeit gehen, Daten bis aus den 70ern sammeln und sie anschließend auswerten“, so Dorigo. Anhand der Daten kann die Gruppe analysieren, wie sich das Klima auf unserer Erde in den letzten 40 Jahren verändert hat. Der Fokus liegt dabei einerseits auf dem Wasserkreislauf. Dabei schaut man sich etwa an, wo und ob es mehr Dürreperioden gibt oder wo die Bodenfeuchte angestiegen ist. Die Forschung geht in diesem Bereich auch schon in die Praxis über. So prognostiziert die Gruppe, wie sich das Klima auf Ernteverluste auswirken kann, und wer besonders stark betroffen sein wird. Auch die Trockenheit in Wäldern wird beobachtet. „Wir entwickeln gerade ein Informationsgerät für die Forstbehörden und Feuerwehr, um die Waldbrandgefahr vorhersagen zu können“, erzählt der Niederländer. Der zweite Fokus liegt auf der Vegetation. Dabei beobachten die Forscher*innen rund um Dorigo, wie sich Pflanzen in ihrer Zusammensetzung verändern, analysieren die Wachstumsdynamik und versuchen festzuhalten, wie und ob sich die Vegetation an den Klimawandel anpasst.

Die Klima-Fernerkundung gewann mit den sichtbarer werdenden Auswirkungen der Klimakrise natürlich vor allem in den letzten Jahren immer mehr an Relevanz – und an Öffentlichkeit. „Klima- und Umweltforschung war namentlich eigentlich bis vor einigen Jahren nicht an der TU vertreten. Man merkt, dass die Nachfrage der Studierenden vor allem in den letzten Jahren sehr angestiegen ist.“ Das läge auch am generell steigenden Bewusstsein in der Bevölkerung. „Dafür haben wir lange gekämpft, aber am Ende hat Greta Thunberg mehr bewirkt als alle Wissenschaftler zusammen“, so Dorigo. Das steigende Bewusstsein für den Klimawandel mache sich auch in der Forschung bemerkbar, so gäbe es immer mehr Geld in Form von Förderungen für diesen Forschungsbereich, erzählt der Wissenschaftler.

Sein Wissen teilt er stetig. Mit mehr als 9.000 Zitationen (laut Google Scholar) ist es nicht erstaunlich, dass der 46-Jährige zu den meistzitierten Wissenschaftler*innen in seinem Fachgebiet gehört und bereits viermal den Titel „Highly Cited Researcher“ erhielt. Bereits 2015 wurde der Wahl-Wiener zudem für seine Arbeit mit dem renommierten Wissenschaftspreis der TU Wien ausgezeichnet. Was ihm diese Auszeichnungen bedeuten? Gar nichts. „Es ist nett und erzeugt Aufmerksamkeit, was natürlich gut für die Universität ist, aber ich lebe nicht für die Auszeichnungen. Das wäre die falsche Motivation für meinen Job“, so der Professor.

Der gebürtige Niederländer Wouter Dorigo studierte in Utrecht physische Geografie, ein breit aufgestelltes Studium, das es in dieser Form im deutschsprachigen Raum nicht gibt. Das Klima interessierte ihn bereits früh. Im Zuge seines Studiums beschäftigte er sich unter anderem mit Geologie, Umweltwissenschaften und Wasserkunde. Nach einem kurzen Ausflug in die Praxis, bei dem Dorigo für ein Ingenieurbüro und die Niederländische Bundesanstalt für Eich- und Vermessungswesen arbeitete, verschlug es ihn schließlich doch wieder zurück in die Wissenschaften. „Ich habe gemerkt, dass ich etwas Inhaltliches machen möchte und mich selbst mit den Daten beschäftigen will“, so der Professor. 2008 promovierte er an der TU München und war nebenbei beim deutschen Institut für Luft- und Raumfahrt tätig. 2007 wechselte Dorigo an die TU Wien, neben der Arbeit hätten ihn vor allem die Berge nach Österreich gezogen, erzählt der Wissenschaftler. Bevor er die Leitung übernahm, arbeitete er als Universitätsassistent und als Senior Scientist in der Fernerkundung.

Heute sieht er Herausforderungen für sein Fachgebiet in den nächsten Jahren vor allem darin, Brücken zwischen Wissenschaft und Praxis zu schlagen. Wissenschaften nicht nur unter Wissenschaftler*innen zu verbreiten, sondern einen besseren Weg zu finden, um an die breite Masse zu kommunizieren, sei zukünftig eine der wichtigsten Aufgaben für sein Forschungsfeld. „In puncto Öffentlichkeitsarbeit haben wir wirklich noch sehr viel zu tun“, so der Professor.