Wissenschaft darf Geld kosten

Texas hat ein Loch – und dieses Loch ist ziemlich nutzlos. Eigentlich hätte dort der größte Teilchenbeschleuniger der Welt entstehen sollen, der Superconducting Super Collider.

Text: tuw.media-Redaktion

Mehr als 20 Kilometer eines ­Tunnels waren bereits in den Boden ge­graben worden, als das Projekt im Jahr 1993 aus Kostengründen gestoppt ­wurde – 2,5 Mrd. US-$ hatte man zu ­diesem Zeitpunkt bereits in den Superconducting Super Collider in Texas investiert.

Wissenschaft ist teuer – das war schon immer so, aber bei wissenschaftlichen Großprojekten zeigt sich das natürlich besonders deutlich. Die Mars-Mission der Nasa, die den Mars-Rover Perseverance zu unserem Nachbar­planeten beförderte, kostete insgesamt rund 2,7 Mrd. US-$. Der Large ­Hadron Collider am CERN, mit dem 2012 das Higgs-Boson nachgewiesen ­wurde, kostete rund 7,5 Mrd. €. Noch ­teurer ist der Kern­fusionsreaktor ITER: Bei mehr als 15 Mrd. € dürften die ­Gesamtkosten dieses Megaprojekts liegen. Das wohl teuerste Großprojekt der Wissenschafts­geschichte war die Internationale Raumstation ISS – nach und nach wurden dort über 150 Mrd. US-$ investiert. Aber ist das viel oder wenig? Es ist schwer, ein Gefühl für solche Beträge zu bekommen. Bedenken muss man jedenfalls: Die Kosten für solche Großprojekte werden nicht auf einmal fällig, sie summieren sich über viele Jahre hinweg, oft steuern viele ­Staaten jeweils jährlich kleinere Beträge bei. Das relativiert die Sache ein bisschen. So hat etwa das CERN ein Jahres­budget von rund einer Mrd. €. Das klingt nach viel, auf einzelne Menschen hochgerechnet wird die Summe aber überschaubar: Wer in Österreich oder Deutschland lebt, trägt pro Monat ungefähr 20 bis 30 Cent für die Teilchenforschung am CERN bei. Europaweit wird mehr Geld für original französischen Champagner ausgegeben als für das CERN.

Die Gesamtkosten des LHC-Teil­chen­beschleunigers am CERN sind ähnlich hoch wie die Summe, die ­allein in Deutschland in einem einzigen Jahr für Süßigkeiten ausgegeben wird. Noch beeindruckender ist ein Vergleich mit dem Umsatz der Esoterikbranche: Er wird alleine in Deutschland auf über 20 Mrd. € jährlich geschätzt – auch in Österreich dürfte er bei mehreren Mrd. € liegen. Würden wir alle ein Jahr lang auf Wunderheilungs­seminare, Heilkristall-Armbänder und ähnlich sonderbare Dinge verzichten, könnte man mit dem ersparten Geld ein gewaltiges wissenschaftliches Großprojekt finanzieren. Die Tabakindustrie macht weltweit ­einen Umsatz von etwa 900 Mrd. US-$ im Jahr. Gäben wir nur ein Zehntel dieser Summe für Forschungsgroßprojekte aus, wäre das genug für einen Fusionsreaktor, einen Teilchenbeschleuniger und mehrere Weltraummissionen, und zwar Jahr für Jahr. Nun gut, könnte man jetzt sagen, es ist vielleicht ein bisschen unfair, wenn wir persönliche Aus­gaben für Champagner, Zigaretten oder feinstoffliche Kristallwünschelruten mit staatlichen Aus­gaben für wissenschaftliche Großprojekte vergleichen. Das eine ist ­un­sere­­ eigene Entscheidung, das ­andere ist Steuergeld. Aber auch staatliches Geld wird in manchen Bereichen recht großzügig ausgeschüttet, wenn der po­litische Wille dafür da ist.

In der Finanzkrise 2008 gab Ös­ter­reich über 10 Mrd. € für Banken­rettungen aus; genug für einen Teilchen­beschleuniger und eine Mars-Mission. 13 Mrd. US-$ ließen sich die USA den Flugzeug­träger USS Gerald R. Ford kosten – dafür hätte man auch einen ex­perimentellen Kernfusions­reaktor bekommen. Und all diese Summen erscheinen ziemlich lächerlich, wenn man sie mit den ­Kosten der ­Kriege im Irak und in Afghanistan vergleicht: Nach einer Studie der Brown Uni­versity beliefen sich diese auf 4.800 Mrd. US-$ – eine ­Summe, die das ­gesamte Apollo-Weltraum­programm, alle Teilchen­beschleuniger, Raum­stationen und Raumsonden der Welt völlig in den Schatten stellt.

Natürlich sind solche Zahlen immer mit Vorsicht zu betrachten: Wir vergleichen hier Dinge, die sich, wenn man ehrlich ist, nicht wirklich gut ver­gleichen lassen. Aber solche Vergleiche geben uns zumindest ein grobes Gefühl für Größenordnungen. Und wenn über die exorbitanten Kosten wissenschaftlicher Forschung gejammert wird, sollte man doch im Kopf behalten, dass wir für andere, durchaus verzichtbare Dinge weitaus mehr Geld ausgeben.

Text: Florian Aigner Foto: TU Wien