Das Gebäude der Hoerbiger Wien GmbH in der Seestadt Aspern ist beeindruckend. Circa zehn Minuten von der U-Bahn-Station Seestadt entfernt sieht man HOERBIGER schon von Weitem – beim Betreten findet man sich in einer modernen Halle mit Betonwänden im Industrie-Chic wieder. Neben dem Empfang sind Ausstellungsstücke des über 127 Jahre alten Unternehmens zu sehen – etwa alte Bowlingkegel, die schon im ersten HOERBIGER-Gebäude standen.
Der HOERBIGER-Konzern ist weltweit an 128 Standorten in etwa 50 Ländern vertreten. HOERBIGER forscht und produziert in den Bereichen Kompressortechnik, Automotive, Drehdurchführungen, Einspritzungssysteme für Gasmotoren und Explosionsschutzlösungen in der Industrie. In Wien werden unter anderem Ventile, Ringe und Packungen sowie weitere Schlüsselkomponenten, die man in Kolbenkompressoren braucht, produziert. Diese werden überall eingesetzt, wo präzise Drücke benötigt werden, sei es in der Petrochemie, im Raffineriebereich, aber auch zum Aufblasen von PET-Flaschen. Zudem betreibt HOERBIGER Forschung und Entwicklung auch im Bereich der Wasserstoffanwendung sowie der Wasserstoffmobilität.
Geführt wird HOERBIGER Wien von Bernhard Lindner (Geschäftsführer) und Wolfgang Sautter (CEO der Kompressortechnik und Mitglied der Konzernleitung von HOERBIGER). Bernhard Lindner begann seine Karriere bei HOERBIGER 1999 als Leiter für Finanz- und Rechnungswesen in Deutschland. Nach sechs Jahren führte es ihn beruflich nach Asien, wo er von Singapur aus für die gesamte asiatische Region zuständig war. „Zwölf Gesellschaften, elf Währungen hatten wir dort. Das war spannend im Finanzbereich“, erinnert Lindner sich. Später ging er nach Denver in den USA, bevor es ihn 2010 nach Wien zog. Hier übernahm er zunächst die globale Verantwortung für den Bereich Finanzen und Controlling und später die Leitung der globalen Abteilung People and Culture. Seit 2021 ist Lindner für den Betrieb von HOERBIGER Wien verantwortlich.
Wir wollen mit unseren Produkten und unserer Forschung einen wichtigen Beitrag zur Lösung aktueller PROBLEME leisten.
Bernhard Lindner, Geschäftsführer HOERBIGER Wien GmbH
Am Standort in Wien arbeiten insgesamt 550 MitarbeiterInnen von HOERBIGER, davon sind circa 70 Angestellte im Bereich der Forschung und Entwicklung tätig. Letztes Jahr wurde ein Umsatz von knapp über 70 Millionen € gemacht, dieses Jahr soll er auf 80 Millionen € steigen.
Wien ist als Standort dabei wichtig für das Unternehmen: Einerseits dem Osten des Kontinents nahe, liegt es dennoch zentral in Europa. Ein weiterer wichtiger Aspekt des Standorts sind die vielen Technischen Universitäten und Fachhochschulen in der Umgebung. HOERBIGER pflegt eine enge Beziehung mit der TU Wien und betreibt auch Projekte mit der Universität Linz. „Die Universitäten sind eine der wichtigsten Quellen für uns, um junge, talentierte Menschen ins Unternehmen zu holen“, erklärt Lindner. „Wir sind ein Hidden Champion. Unsere Produkte werden in Maschinen verbaut, es steht also nirgends HOERBIGER drauf. Deshalb müssen wir uns andere Wege einfallen lassen, um an junge Talente zu kommen.“ Zum Beispiel im Zuge von Abschlussarbeiten sowie über Praktikumsplätze können Studierende das Unternehmen kennenlernen. Viele davon starten später auch ihre Karriere im Unternehmen, denn bei HOERBIGER bekommt man vom ersten Tag an interessante Aufgaben. Lindner: „Wir arbeiten hier an spannenden, zukunftsrelevanten Themen und versuchen, ein Umfeld zu schaffen, in dem MitarbeiterInnen mitgestalten und sehr schnell Verantwortung übernehmen können.“ Die globale Tätigkeit des Unternehmens sei für junge Menschen ein weiterer Anreiz. Neue MitarbeiterInnen bekommen ebenfalls zum Teil die Chance, an einen der vielen Standorte zu reisen – sei es nach Shanghai, Miami oder Indien.
Die Universitäten sind eine wichtige Quelle für uns, um an junge Talente zu kommen.
Bernhard Lindner, Geschäftsführer HOERBIGER Wien GmbH
Junge Talente braucht die HOERBIGER Wien GmbH, wenn sie ihrem Ziel, sich ständig weiterzuentwickeln, gerecht werden will. Martina Riedl-Tragenreif ist Projektleiterin für die IT, einen Bereich, der in den letzten Jahren rasante Veränderungen durchgemacht hat. Vor allem das Thema Prozessautomatisierung beschäftigt die gebürtige Waldviertlerin: „Mit digitalen Technologien sorgen wir dafür, dass immer mehr Produktionsanlagen vernetzt und intelligent gesteuert und gewartet werden können. Dank der fortschreitenden Automatisierung lassen sich viele Prozesse zunehmend effizienter gestalten.“ Vor allem in den Bereichen der Produktion, Logistik und des Einkaufs kann die Freigabe und Verbuchung von Rechnungen leicht automatisiert werden, was viel Zeit und repetitive Arbeitsschritte spart. Als weiteres Beispiel nennt Riedl-Tragenreif „Stream“, ein Projekt, in dem Prozesse konzernweit harmonisiert und visualisiert werden. So können ineffiziente Schritte im Prozess leichter gefunden und behoben werden. Auf die Frage, wie viele Prozesse im HOERBIGER-Konzern automatisiert sind, antwortet Riedl-Tragenreif: „Das ist unmöglich zu sagen. Es gibt so viele Use Cases, die wir alle sammeln und anschließend umsetzen.“
Als Beispiel nennt Riedl-Tragenreif die „VISTRA®-App“, ein cloudbasiertes System, das bei der Verwaltung des Ersatzteilbestands und der Wartungsprozesse für Kompressoren unterstützt. Durch den Einsatz von VISTRA® erhalten Kunden über ein Webportal wertvolle Einblicke in den Status ihrer Kompressorenflotte. So können Kunden fundiertere Wartungsentscheidungen treffen und sich proaktiver um potenziell schlecht funktionierende Kompressorkomponenten kümmern. Sobald Kunden die Wartungsarbeiten in der VISTRA®-App abgeschlossen haben, bereitet HOERBIGER die Ersatzteilreparaturen vor, bevor die Teile noch im Servicezentrum eintreffen.
Auch mit Augmented Reality experimentiert HOERBIGER. Diese Technologie ermöglicht es dem Unternehmen, neues Personal schneller zu schulen, wodurch Fehler in der Wartung der Maschinen vermieden werden können. „Hier haben wir Pilotprojekte mit Forschungsinstitutionen, in denen wir Servicetechnikern die Möglichkeit geben, digital Wartungen durchzuführen“, fügt Riedl-Tragenreif hinzu. Doch auch das Thema der IT-Security ist ein Wesentliches: HOERBIGER versucht, mittels künstlicher Intelligenz potenzielle Hackerangriffe abzuwehren. Das Zukunftspotenzial ist riesig.
Wir entwickeln effiziente KompressorLösungen für Wasserstoff-Tankstellen.
Jürgen Brenner, Head of Hydrogen Mobility
Ein weiteres Beschäftigungsfeld von HOERBIGER ist der Bereich der Wasserstoffanwendungen. „Wir haben ein weltweit einzigartiges Wasserstoff-Testzentrum, in dem wir Produkte testen können“, erzählt Lindner. Geforscht wird bei HOERBIGER in diesem Bereich schon seit Jahrzehnten; nun möchte das Unternehmen das erlernte Know-how auch für die Wasserstoffmobilität einsetzen. Produkte im Zusammenhang mit Wasserstoff können maßgeblich zur Energiewende beitragen, schließlich setzt Wasserstoff kein CO2 frei, wenn er in einer Brennstoffzelle verstromt wird. Er kann auf drei Wegen erzeugt werden – heute passiert das vor allem durch einen Prozess, der sich Steam Methane Reforming nennt. Dabei wird Erdgas aufgespaltet, was aber CO2 freisetzt. Der Wasserstoff, der entsteht, wird deshalb „grauer Wasserstoff“ genannt. In der Produktion von „blauem Wasserstoff“ wird dasselbe Verfahren angewandt, das CO2 wird jedoch gespeichert. Doch es gibt auch einen Weg, „grünen Wasserstoff“ zu erzeugen: Durch Elektrolyse kann aus Wasser und Strom Wasserstoff erzeugt werden. Wenn dieser Prozess mit Strom aus erneuerbaren Energien durchgeführt wird, wird in der gesamten Produktion kein CO2freigesetzt.
In diesem Kontext ist HOERBIGER auch in einer Partnerschaft mit den Wiener Netzen und der Wien Energie, wie Jürgen Brenner, Head of Hydrogen Mobility bei HOERBIGER Wien, beschreibt: „Die Wiener Netze haben letztes Jahr einen Testlauf gestartet und Wasserstoffbusse mit Elektrobussen verglichen.“ Elektrofahrzeuge eignen sich zwar sehr gut für den urbanen Personenverkehr, doch Wasserstoff ist effizienter, wenn es um den Schwerlastverkehr geht, weshalb in den nächsten Jahren eine Flotte von Wasserstoffbussen in Wien auf die Straßen kommen soll. „Und wir entwickeln energieeffiziente Kompressorlösungen für Wasserstofftankstellen und bauen Wasserstoff-Kompressorsysteme. Daher hat sich eine Partnerschaft mit den Wiener Netzen sehr angeboten“, so Brenner. Trotzdem glaubt er, dass in Zukunft sowohl elektrische als auch wasserstoffbetriebene Fahrzeuge auf den Straßen zu sehen sein werden: „Das hängt wirklich sehr stark vom Anwendungsfall ab. Elektromobilität wird im urbanen Bereich, bei kürzeren Distanzen eine große Rolle spielen, Wasserstoff eher im Heavy-Duty-Bereich, also eben bei Bussen, aber auch bei Zügen und Schiffen und vielleicht sogar in der Luftfahrt.“
Bernhard Lindner begann seine Karriere bei HOERBIGER 1999 als Leiter für Finanz- und Rechnungswesen in Deutschland. 2005 ging er nach Singapur, wo er die gesamte asiatische Region in Sachen Finance beaufsichtigte. 2010 kam Lindner nach Wien, wo er seit 2018 als Geschäftsführer von HOERBIGER Wien tätig ist.
Dass dieses Thema auch im Rahmen der Klimakrise relevant ist, ist auch der Geschäftsführung bewusst. „Wir arbeiten schon seit vielen Jahren mit Wasserstoff – doch wir wollen unser Portfolio ausbauen, um den neuen Anforderungen und Herausforderungen gerecht zu werden“, so Lindner. „Wir wollen schließlich mit unseren Produkten und unserer Forschung einen wichtigen Beitrag zur Überwindung dieser Krise leisten.“
Text: Erik Fleischmann