Günter Emberger ist eigentlich gelernter Tischler. Dennoch fing der Kärntner an, Wirtschaftsinformatik zu studieren. Und weil er sich das Studium auch finanzieren musste, begann er 1990, am Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien auszuhelfen. In den letzten 30 Jahren waren Emberger und seine Kolleg*innen maßgeblich an der Umsetzung der Verkehrskonzepte in Österreich beteiligt; seit 2017 ist er Leiter des Forschungsbereichs für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik am Institut für Verkehrswissenschaften an der TU Wien.
„In der Verkehrsplanung stehen die menschlichen Bedürfnisse und der menschliche Maßstab im Mittelpunkt. Wir verstehen darunter die faire Flächenverteilung im öffentlichen Raum und kämpfen dafür, dass man diesen Raum wieder den Menschen zurückgibt, statt ihn dominant von Autofahrer*innen nutzen zu lassen“, sagt Emberger. Eine eindeutige Hierarchie ermöglicht, zumindest in der Theorie, eine klare und faire Verteilung: An oberster Stelle stehen Fußgänger*innen, gefolgt von Radfahrer*innen, dann kommt der öffentliche Bus- und Schienenverkehr; erst an letzter Stelle stehen Autofahrer*innen. Maßstab für dieses Wertesystem ist die Nachhaltigkeit, etwa punkto CO2-Ausstoß sowie Flächen- und Ressourcenverbrauch eines Verkehrsmittels.
Doch die Realität sieht anders aus. „In den letzten Jahrzehnten hat das Auto den Straßenraum erobert. Von den Verkehrsplaner*innen ist der Gedanke verfolgt worden, alle Hindernisse für den Autoverkehr wegzuräumen. Das hat dazu geführt, dass sich die Siedlungsstruktur angepasst hat. Das Problem der Flächenversiegelung (Bedecken des natürlichen Bodens durch Bauwerke des Menschen, Anm.) ist fast größer als jenes von Unfällen. Das war eine Fehlentwicklung. Wir müssen nun zurückrudern und zusehen, dass wir auf ein nachhaltiges Verkehrssystem kommen, in dem der Mensch wieder im Vordergrund steht“, sagt Emberger.
Günter Emberger
ist Forschungsbereichsleiter des Bereichs Verkehrsplanung an der TU Wien.
Selten war unser Mobilitätsverhalten so eingeschränkt wie während der Coronaviruspandemie 2020. Die positiven Auswirkungen zeigt etwa der „Modal Split“ Wiens (Verkehrsstatistik über die Verteilung des Transportaufkommens, Anm.): 2020 waren 9 % der Bevölkerung mit dem Rad unterwegs (ein Plus von 30 %); 37 % der Wege wurden zu Fuß zurückgelegt, der öffentliche Verkehr nahm stark ab (minus 11 %); nur der Prozentanteil der Autofahrer*innen blieb bei 27 % unverändert zu 2019.
Emberger ist mit seinem Team dran, die Veränderung mitzugestalten. Das Konzept der „Superblocks“ wurde in Barcelona als Instrument der nachhaltigen Stadtgestaltung entwickelt und dort bereits vielfach umgesetzt. „TuneOurBlock“ ist eines von vielen internationalen Forschungsförderungsprojekten der TU Wien, das unter anderem das Testen von Superblocks in Wien in den Fokus stellt.
Superblocks sollen Straßenräume fußläufig erschließbar machen, sie klimaverträglicher machen sowie die Lebensqualität in Wohnumfelder steigern. Doch auch TU-eigene Projekte wie FLADEMO, haben dasselbe Ziel: Einen Rahmen für Österreich zu konzipieren, damit alle Österreicher*innen ihre Mobilitätsbedürfnisse gleichgestellt erfüllen können. Emberger ist überzeugt: „Die Zukunft der Verkehrsplanung (und der Mobilität) muss nachhaltig, fair und vor allem menschenfreundlich sein. An der Vision wollen wir als Institut was beitragen.“