Warum fliegen hier keine Drachen?

Science-Fiction und Fantasy werden oft in einen Topf geworfen – die Grenze ist auch nicht trennscharf, einige Werke weisen Merkmale beider Genres auf. Was aber sind die wesentlichen Unterschiede? Und was hat Science-Fiction mit Wissenschaft zu tun?

Text: tuw.media-Redaktion

Wer zu einem Science-Fiction-Buch greift, erwartet sich futuristische Prophezeiungen oder dystopische Visionen, in denen ausgeklügelte Technik eine zentrale Rolle spielt. Ein Griff ins Fantasy-Regal verspricht hingegen eine Abenteuerreise durch eine Welt mit Magie, Mystik und Fabelwesen. Aber lassen sich die zwei Genres wirklich immer so scharf trennen?

Beide, Science-Fiction und ­Fantasy, bilden in der Filmwissenschaft gemeinsam mit Horror das fantastische ­Genre; und doch unterscheiden sie sich in ­wesentlichen Merkmalen. Der Genre-
begriff Science-Fiction setzt sich aus zwei Wörtern zusammen: Wissenschaft, englisch Science, definiert folglich den ­Inhalt, der (wie „Fiction“ verrät) der Vorstellungskraft des Autors oder der Autorin entspringt. Fantasy hingegen zeichnet sich durch das Magische und Mystische aus; Fabelwesen wie Elfen und Drachen sind hier nicht selten. Die Frage ist nur: Wo zieht man die Grenze?

Auch wenn die Idee des Drachen verlockend ist, handelt es sich um ein Wesen, das weder bereits existiert hat noch sich in (naher) Zukunft auf der Erde entwickeln wird (Stichwort Evolution). Ähnlich verhält es sich mit Zwergen und Elfen oder mit Zentauren und Meerjungfrauen: Obwohl sie menschenähnlich sind, hat es sie in dieser Form nie gegeben, und es wird sie wohl auch nie geben – zumindest, solange Dr. Frankenstein nicht real wird und sein Monster und Ähnliches erschaffen kann.

Apropos Frankenstein: Dieser Roman wird oft zwischen Horror und Science-Fiction verortet. Zu Recht? Ja, denn Viktor Frankenstein, die Hauptfigur des Romans, erwirbt sein Wissen, mit dem er seinen künstlichen ­Menschen zusammenbaut, durch sein Studium der Naturwissenschaften. Ohne die Wissenschaft wäre er folglich nicht dazu fähig gewesen, sein Monster zu erschaffen.

Ein zentraler Punkt der Science-­Fiction ist somit, dass sie den Anspruch erhebt, im Rahmen des wissenschaftlich Erklärbaren zu agieren. Spätestens wenn eine im Science-Fiction-Roman oder -Film vorhergesagte ­Technologie den Sprung in die Realität schafft, haben wir den Genrebeweis. Humanoide Roboter wurden bereits 1927 im Stummfilm „Metropolis“ vorhergesagt, „2001: Odyssee im Weltraum“ zeigte uns schon 1968 die Vorzüge der Videotelefonie. Bis Anwendungen wie Skype sich durchgesetzt haben, sollte es aber noch mehrere Jahrzehnte dauern.

Tatsächlich ist daraus ein eigenes Forschungsfeld entstanden. Seit 1973 veröffentlichen Science-Fiction-Forschende beispielweise in der Fachzeitschrift „Science Fiction Studies“. Das Genre existiert jedoch schon weit länger, die genauen Anfänge lassen sich kaum rekonstruieren.

Maßgeblich geprägt haben dürfte die Science-Fiction-Literatur jedoch Jules Verne mit seinen Klassikern „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“, „20.000 Meilen unter dem Meer“ sowie „Reise um die Erde in 80 Tagen“, die zwischen 1864 und 1873 entstanden. Inspiriert wurden seine Erzählungen zwar von selbst Erlebtem, doch suchte er auch den Austausch mit Erfindern und Naturforschern.

Ein großer Teil der neueren Science-Fiction spielt zudem im Weltraum: „Star Trek“, „Star Wars“ oder „Interstellar“ sind nur ein paar Beispiele dafür. Was sie jedoch miteinander verbindet, ist die Suche nach einem besseren Leben, ebenso wie der Wunsch, neue Räume oder ganze Welten zu erschließen.

Sarah Link ist Kommunikationswissenschaftlerin und arbeitet an der TU Wien an der Schnittstelle von Wissenschaft und Öffentlichkeit.

Verlässt man aber diese ­Fallebene und wagt eine Verallgemeinerung, lässt sich wohl sagen, dass Science-­Fiction immer auch eine Projektionsfläche ist, die menschliche Sehnsüchte ­abbildet – stellen wir sie uns wie eine ­weiße Leinwand vor, die wir nach unseren ­eigenen Werten und Wünschen gestalten ­können. Fantasy hingegen ist eher ein Ort, an dem alles möglich, jedoch nicht in der realen Welt umsetzbar scheint. Auch wenn wir vielleicht lieber auf einem Drachen als auf einem Pferd reiten würden, müssen wir uns damit zufriedengeben, dass dies nur in unserer Fantasie möglich ist. Eine Reise zu den Sternen aber wird vermutlich eines Tages möglich sein.

Text: Sarah Link
Foto: TU Wien Illustrator: Jan Siemen