IQOQI / M. R. Knabl, C. Lackner

VON DER NEUGIERDE GETRIEBEN

Peter Zollers wissenschaftliche Reise beginnt im Innsbruck der 70er-Jahre. Damals vertiefte er sich alleine in Bücher und eignete sich so Wissen an,
welches ihn später an führende Forschungseinrichtungen auf der ganzen Welt bringen sollte. Heute zählt Zoller zu den Koryphäen im Bereich Quantenoptik. Seine Karriere verdankt er harter Arbeit, glücklichen Fügungen und der Begeisterung für ein wissenschaftliches Selbst­verständnis, das er erst in den USA kennenlernte.

Text: Silvan Mortazavi Foto: IQOQI / M. R. Knabl, C. Lackner

Die Vita von Peter Zoller liest sich beeindruckend: Habilitation an der Universität Innsbruck, Professuren an der University of Colorado sowie in Innsbruck, Forschungs- und Lehr­aufenthalte am Caltech, in Harvard, an der University of Science and Technology of ­China, an der LMU München oder am Max-Planck-Institut für Quantenoptik. Hinzu kommen zahl­reiche Ehrungen und Auszeichnungen wie die Niels-Bohr-Goldmedaille der Unesco, die Max-Planck-Medaille, der Erwin-Schrödinger-Preis der Österreichischen Aka­demie der Wissenschaften und schließlich mit dem Wittgenstein-Preis die ­höchste Wissenschaftsauszeichnung Österreichs. Heute ist Zoller wissenschaftlicher Direktor am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und gilt als internationale Koryphäe auf dem Gebiet.

Was nach einer gut geplanten Vorzeige­karriere klingt, war zum Teil aber auch glücklichen Umständen geschuldet, wie Zoller heute erzählt. Er studierte Physik an der Universität Innsbruck und promovierte dort 1977; von den Ruhmeshallen der internationalen Wissenschaft wagte er damals aber noch nicht zu träumen. Zoller: „Ich war ein Bücherwurm, hatte all mein Wissen aus der Bibliothek. Ich bekam von meinem Doktorvater viele Freiheiten, habe meine Interessen dann aber eher in wis­sen­schaftlicher Isolation entwickelt.“ Eher durch Zufall begann er dann, sich in Themen einzuarbeiten, die etliche Jahre später von zentraler Bedeutung sein sollten. Das sei heute völlig anders, so Zoller: „Heute gehe ich zu meinen Doktorand*innen, schlage Dinge vor und bin dann Diskussions­partner. Das Betreuungsverhältnis ist ein völlig anderes.“ Er selbst schätzte seine Chancen, Karriere in der Wissenschaft zu machen, anfangs als sehr klein ein. Umso glücklicher fühlt sich Zoller, es auch auf eigenem Wege geschafft zu haben. Es war, so ist er sich heute sicher, eine Mischung aus seiner intensiven Beschäftigung mit später relevanten Forschungs­themen und vor allem den richtigen Kontakten zur richtigen Zeit.

ALS „HEUREKA“-ERLEBNIS BEZEICHNET ZOLLER heute den Schritt, als Stipendiat an die University of Southern California zu Professor Peter Lambropoulos zu gehen: „In einem unserer ersten Gespräche unter­hielten wir uns über meine Forschung. Er war beeindruckt und fragte mich sofort, warum ich dazu noch nichts publiziert ­hätte. Innerhalb kürzester Zeit ergaben sich eine intensive Kooperation und ein ­reger Austausch – das hat meinen Blick auf Forschung stark verändert.“ Wissenschaft ist für Zoller ein „Dialog mit der Natur, man stellt Fragen und versucht dann, über Experimente Antworten zu be­kommen.“ „Curiosity-driven Research“ nennt er es – wirklich voran komme man dabei aber nur über die Nutzung von Synergien im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen.

Glaszelle für Quantengasexperimente.

1991 erhielt Zoller eine Professur an der University of Colorado. Er hatte zu der Zeit die Qual der Wahl – auch ein Wechsel nach Harvard stand im Raum. Schließlich entschied er sich dafür, in ein bewährtes Umfeld zu wechseln. „In Boulder war ich zuvor bereits zweimal für längere Forschungs­aufenthalte. Ich hatte dort Freund*innen und fühlte mich wohl, das gab schlussendlich den Ausschlag.“ Die kommenden vier Jahre sollten sich als äußerst ertragreiche Forschungs­zeit erweisen. Gemeinsam mit seinem Kollegen Ignacio Cirac, heute Direktor des Max-Planck-Instituts für Quanten­optik, leistete er Pionierarbeit und legte den Grundstein für einen Quantencomputer, der heute in Innsbruck existiert.

Besagter Quantencomputer und auch andere Exemplare weltweit seien laut Zoller das Ergebnis hervorragender Forschung, aber noch „Babyversionen“. Er sieht aktuell einen gewissen Hype um das Thema, ähnlich, wie es ihn vor 20, 30 Jahren bei künstlicher Intelligenz ge­geben habe. Zoller: „Die Grundprinzipien waren damals schon vorhanden, der Enthusiasmus war groß. Doch es gab die entsprechende Hardware noch nicht, um das Wissen umzusetzen. Heute gibt es die Hardware und die Entwicklung ist explosionsartig.“ Der Quanten­computer braucht laut Zoller noch etwas Zeit, doch man sei auf dem richtigen Weg. „Womöglich braucht es auch hier noch ein oder zwei Jahrzehnte harter Arbeit, bis die Hardware auf dem benötigten Stand ist“, so Zoller. Wenn es so weit ist, stehe dem Quantencomputer als einer der potenziell größten techno­logischen Revolutionen des 21. Jahr­hunderts aber nichts mehr im Wege.

Heute hat Zoller ein Ehrendoktorat der University of Colorado, auch gibt es nach wie vor viel Kontakt zu Forscher*innen im heute dort bestehenden Quantenzentrum. Ohne seinen Aufenthalt in Colorado, so sagt er heute, hätte er die letzten 25 Jahre nicht diese Arbeit gemacht. Es waren die Kooperationen mit seinen Kolleg*innen, die vielen Diskussionen und inspirierenden Kooperationen, die ihn und das ganze Team vorangebracht hätten.

GENERELL SIEHT ZOLLER EINEN MASSIVEN UNTERSCHIED in der akademischen Kultur zwischen den USA und Europa. ­Während beispielsweise in Österreich mit dem Titel eines Universitätsprofessors ein gewisses Selbstverständnis einhergehe, müsse man sich in den USA immer wieder neu beweisen. „In Österreich ist man wer, sobald man Professor*in ist, da hat man was erreicht. In den Staaten wird jeder, der liefert, hoch anerkannt, alle anderen verschwinden ganz schnell wieder. Ein Professor*innen­titel alleine bedeutet gar nichts“, so Zoller. Der Forschungs­betrieb in Europa erinnert ihn ein wenig an ein „großes Museum“: „Jeder Professor hat sein Imperium, man lässt einander in Ruhe und kommt sich nicht in die Quere.“

Peter Zoller
ist wissenschaftlicher Direktor am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Der Physiker stu­dierte und habilitierte an der Universität Innsbruck. Nach zahlreichen internationalen Forschungs­aufenthalten und einer Professur an der Uni­versity of Colo­rado ist er seit 1994 Pro­fessor an seiner Alma Mater und seit 2003 wissenschaftlicher Direktor am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen ­Akademie der

1994 folgte Zoller dennoch dem Ruf der Universität Innsbruck, heute erforscht er an der Akademie der Wissenschaften die Wechselwirkung zwischen Atomen und Laser­licht, mit dem diese manipuliert ­werden. In der Quantenoptik stehen dabei stets quantisiertes Licht, seine Eigenschaften und Verschränkungen im Fokus, so Zoller; sein Schwerpunkt liege aber eher auf der Seite der Atomphysik. Quanten­physik vereint viele verschiedene Ge­biete, erklärt er – so sei beispielsweise auch Hoch­energiephysik, wie sie in CERN betrieben wird (Europäische Organisation für Kernforschung), heute Quantenphysik. „Mein Schwerpunkt ist bei Quanten­physik im engeren Sinne beziehungsweise bei ,Quantum Science‘ zu finden. Hier werden Quer­verbindungen zwischen grundlegender Quantenwissenschaft und neuen Technologien, beispielsweise dem Quantencomputer, hergestellt.“

Zoller befand sich in den 1980er-­Jahren an vorderster Front einer neuen Zeit­rechnung in der Quantenforschung. Die Fortschritte, die in den 1980er- und 90er-Jahren gemacht wurden, waren ­weg­weisend für die heutige Forschung. Es war zu dieser Zeit, als die technischen Grundlagen geschaffen wurden, um Paradoxa und Gedankenexperimente wie „Schrödingers Katze“ oder das „Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon“, die Jahrzehnte zuvor philosophisch und theo­retisch behandelt wurden, nun auch im Labor zu analysieren.

„Plötzlich waren die Möglichkeiten da, all diese Dinge auch experimentell zu testen. Damals wurde eine erste Brücke hin zu neuen Technologien wie Quantum Science geschlagen “, erzählt Zoller.

Neben der Forschung war auch die Lehrtätigkeit stets von zentralem Interesse für Peter Zoller – zum einen, um Wissen zu vermitteln und weitergeben zu können, zum anderen, um herausragende Talente zu entdecken: „In jedem Kurs sind einige brillante Studierende dabei, mit denen die Diskussion physikalischer Probleme ein Vergnügen ist.“ Viele seiner Doktorand*innen habe Zoller in einer seiner Vorlesungen kennengelernt, sie arbeiten heute mit ihm zusammen. Es ist das Fördern und auch das Herausfordern junger Talente, das für den Wissenschaftler besonders erfüllend ist: „Idealerweise werden diese Studierenden dann zu Partner*innen, mit denen man auf Augen­höhe diskutiert und die dann auch ­etwas zurückgeben. Diese jungen Leute in der Forschung aufgehen und ihr Talent nutzen zu sehen, das ist eine tolle Sache.“