Jamel Toppin / Forbes US

TESLAS ERSTER JÄGER

Mit drei Milliarden US-$ in der Kasse und einem spannenden Portfolio holt US-Hersteller Rivian im Rennen um die Vorherrschaft bei Elektroautos gegenüber Tesla und Co schnell auf. Nun gilt es für Rivian-Gründer RJ Scaringe, jene Schlaglöcher, die Tesla fast aus der Bahn geworfen hätten, zu umfahren.

Text: Forbes US Redaktion Foto: Jamel Toppin / Forbes US

Der Artikel erschien in der Ausgabe 1–21 „Mobilität“.

Der kleine Teich vor dem Montagewerk von Rivian Automotive ist ­gefroren, das Gras ist ebenfalls mit Frost bedeckt. Im Werk selbst ist es nicht viel wärmer. Die 240.000 Quadratmeter große Anlage wird genutzt, um Elektrotrucks, -vans und -SUVs in Serie zu produzieren. Die Temperatur spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.

„Wir werden in der Lage sein,“ sagt Robert Joseph Scaringe, der 39-jährige ­Gründer und CEO von Rivian, „bis 2025 250.000 Fahrzeuge pro Jahr zu produzieren.“ Einen Autohersteller aus dem Nichts aufzubauen ist kein leichtes Unterfangen. Klar ist aber auch, dass die 2020er-­Jahre das Jahrzehnt der E-­Mobilität sein werden. Zwar machen Elektroautos nur 0,7 % aller Autos weltweit aus.

Doch 2020 wurden global 3,1 Millionen E-Autos verkauft – ein Anstieg von 39 % im schwächelnden Automobilmarkt. Die Zahl könnte bis 2030 auf 145 Millionen Stück ansteigen. Doch der Bau von Elektroautos benötigt enorm hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung (F & E). Dazu gehören etwa Batterietechnologie und Antriebsstränge. Das einzige Unternehmen, das bei dem Versuch bisher auch nur annähernd erfolgreich war, ist Tesla – und das die längste Zeit ohne Gewinne.

RJ Scaringe
studierte Ingenieurwesen, unter anderem am Sloan Automotive Laboratory des MIT. 2009 gründete er Rivian.

Scaringe: „Wir kennen die Risiken, die mit dem Aufbau und der Skalierung von Autoherstellern verbunden sind.“ Kapital ist jedenfalls vorhanden: Erst Anfang 2021 sammelten Scaringe und sein Team Fremdkapital in der Höhe von 2,65 Milliarden US-$ ein. Auch Investoren wie der Internet­gigant Amazon und der Autohersteller Ford sind mit an Bord. Insgesamt hat das Unternehmen rund acht Milliarden US-$ an Risiko­kapital aufgenommen – Rivians Be­wertung liegt aktuell bei 27,6 Milliarden US-$. Scaringe selbst besitzt Schätzungen zufolge rund 20 % des Unternehmens, was ihn nicht zum einzigen, aber jedenfalls zum jüngsten „Automilliardär“ macht. Bisher war der Weg jedenfalls deutlich gemütlicher als bei Elon Musk. Tesla gab zwischen 2003 und 2008 rund 100 Millionen US-$ für die Produktion des Roadster aus, der dann zugunsten des Model S aufgegeben wurde, für das 350 Millionen US-$ gebraucht wurden. Der Weg des Model 3 war dann besonders schwierig: Probleme in der Lieferkette und Musks Wunsch, den Produktionsprozess vollständig zu unterbrechen, führten zu einer Verzögerung von zwei Jahren. Das kostete Tesla angeblich mehrere Hundert Millionen US-$.

Schon als Schüler träumte RJ Scaringe davon, eine Automarke zu starten. Doch im Gegensatz zu vielen anderen untermauerte er seinen Wunsch mit einem Ingenieurstudium, unter anderem an der Eliteuniver- sität MIT. Seine ursprüngliche Idee kam jedoch in Konflikt mit der Realität: „Mir wurde bewusst, wie viele Probleme das Auto verursacht  geopolitisch, ökologisch oder hinsichtlich der Luftqualität“, so Scaringe. Nach seinem Abschluss 2009 gründete er das Unternehmen, das später zu Rivian wurde. Im November 2018 stellte er Rivian auf der Los Angeles Auto Show vor: Die ersten Modelle waren der R1S, ein rein elektrischer SUV mit sieben Sitzplätzen, und der R1T, ein elektrischer Pick-up-Truck. 2021 will Rivian 40.000 Stück verkaufen. Das würde einen Umsatz von 2,8 Milliar- den US-$ bedeuten. Bis 2024 wird es zudem drei weitere Modelle geben. Sofern Scarin- ge den Preis der Autos unter 50.000 US-$ halten kann, wird es für Musk schwierig. Klar ist aber auch, dass Tesla den Markt für Elektroautos aktuell noch dominiert: 80 % der Verkäufe in den USA sind Teslas.

Text: Chuck Tannert / Forbes US