Shakespeare ließ den Prinzen von Dänemark in der ersten Szene des dritten Akts von „Hamlet“ die berüchtigte Frage „Sein oder Nichtsein“ stellen. Die Frage war sinnvoll, denn Menschen unterliegen den eher banalen Gesetzen der makroskopischen Welt: Sie können nicht an zwei Orten gleichzeitig sein, ganz gleich, ob sie dänische Prinzen sind oder nicht. Aber die kleinen Bestandteile von allem, die Atome, kümmern sich nicht um das, was in der makroskopischen Welt nicht passieren kann.
„Wie die meisten epischen Helden haben auch die Atome einige Probleme, die normale Menschen nicht haben. Wir sind Gewohnheitstiere, die monoton immer nur an einem Ort verharren; ein einzelnes Atom, das in einem Labor einen Weg entlangwandert, stößt auf eine Gabelung, an der es nach links oder rechts gehen kann. Anstatt sich für einen Weg zu entscheiden, wie Sie oder ich es tun müssten, leidet das Atom unter einer Krise der Unentschlossenheit, wo es sein soll und wo nicht“, schreibt Adam Becker humorvoll (in seinem Buch mit dem Titel „What is real?“). „Letztendlich entscheidet sich unser Nanometer-Hamlet für beides; das Atom spaltet sich nicht auf, es nimmt nicht den einen Weg und dann den anderen – es geht beide Wege gleichzeitig und stößt sich an den Gesetzen der Logik“, fährt er fort.
Wie man sich vorstellen kann, ist dies ein schwerer Schlag für die Physik, die für sich in Anspruch nimmt, die genaueste aller Wissenschaften zu sein; „die Wissenschaft“ geradezu. Das verwöhnte Kind der Forschung, die Quantenphysik, ist immer noch ein Schocker für Wissenschaftler*innen und Laien gleichermaßen, sodass die Spekulationen um das Schlagwort Quanten auf Hochtouren laufen. Auch wenn sie die wohl interessanteste aller Theorien zu sein scheint, muss man sie mit Vorsicht genießen und sich vor Augen halten, dass niemand sie wirklich versteht.
Obwohl viele Max Planck für den Vater der Quantenmechanik halten, ist es sehr schwierig, die Geburt dieser Theorie einer einzigen Person zuzuschreiben. „Anders als die Newtonsche Mechanik, die Maxwellsche Elektrodynamik oder Einsteins Relativitätstheorie wurde die Quantentheorie nicht von einer einzigen Person erschaffen – und sie trägt bis heute einige der Narben ihrer aufregenden, aber traumatischen Jugend“, schreiben David J. Griffiths und Darrell F. Schroeter (in ihrem Buch „Einführung in die Quantenmechanik“). „Jeder fähige Physiker kann Quantenmechanik betreiben, aber die Geschichten, die wir uns über das, was wir tun, erzählen, sind so vielfältig wie die Erzählungen über Scheherazade – und sie sind fast genauso unglaubwürdig.“
Eine Vielzahl wissenschaftlicher Entdeckungen ebnete den Weg für die Quantentheorie, von Thomas Youngs erstem Doppelspaltexperiment im Jahr 1802 über Michael Faradays Entdeckung der Kathodenstrahlen im Jahr 1838 bis hin zu Max Plancks Quantenhypothese im Jahr 1900 (der zufolge sich jedes energieabgebende atomare System theoretisch in eine Reihe diskreter Energieelemente aufteilen lässt); neben vielen anderen. Der Begriff „Quantenmechanik“ wurde allerdings von Max Born, Werner Heisenberg und Wolfgang Pauli an der Universität Göttingen in den frühen 1920er-Jahren geprägt. Der Erste, der ihn im Titel einer Arbeit verwendete, war Born in seinem 1924 erschienenen Werk „Zur Quantenmechanik“.
Was die Quantenphysik so mächtig macht, ist die Tatsache, dass sie trotz ihres sehr ungewöhnlichen Charakters eine Vielzahl von Phänomenen mit erstaunlicher Genauigkeit vorhersagt. „Die Entdeckung der Quantenphysik zu Beginn des 20. Jahrhunderts führte direkt zu den Siliziumtransistoren in Ihrem Telefon und den LEDs in seinem Bildschirm, den nuklearen Herzen der am weitesten entfernten Raumsonden und den Lasern im Kassenscanner im Supermarkt. Die Quantenphysik erklärt, warum die Sonne leuchtet und wie Ihre Augen sehen können. Sie erklärt die gesamte Disziplin der Chemie, das Periodensystem und alles andere“, so Becker.
„Das Programm der klassischen Mechanik besteht darin, die Position des Teilchens zu einem Zeitpunkt zu bestimmen. Sobald wir die Position kennen, können wir die Geschwindigkeit, den Impuls, die kinetische Energie oder jede andere dynamische Variable von Interesse bestimmen“, so Griffiths und Schroeter. „Und wie gehen wir bei der Bestimmung vor? Wir wenden das zweite Newtonsche Gesetz an. (…) Die Quantenmechanik geht an dasselbe Problem ganz anders heran. In diesem Fall ist das, wonach wir suchen, die Wellenfunktion des Teilchens, und wir erhalten sie durch Lösung der Schrödinger-Gleichung.“
Ein Teilchen ist an einem Punkt lokalisiert, die Wellenfunktion ist im Raum verteilt. Um zu verstehen, wie ein Objekt mit Welleneigenschaften den Zustand eines Teilchens darstellt, braucht man die statistische Interpretation von Max Born, die die Wahrscheinlichkeit angibt, das Teilchen an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit zu finden. Dies war teilweise der Moment, an dem die Hölle losbrach, da dadurch eine Art Unbestimmtheit in der Diskussion der Quantenphänomene etabliert wurde.
„Selbst wenn man alles weiß, was die Theorie über das Teilchen zu sagen hat (nämlich seine Wellenfunktion), kann man das Ergebnis eines einfachen Experiments zur Messung seiner Position nicht mit Sicherheit vorhersagen. Alles, was die Quantenmechanik zu bieten hat, sind statistische Informationen über die möglichen Ergebnisse“, so Griffiths und Schroeter. Sie illustrieren dies anhand einer einfachen Frage: Angenommen, man misst die Position eines Teilchens und stellt fest, dass es sich im Punkt C befindet, und man fragt sich dann, wo es sich befand, bevor man die Messung vornahm – auf diese Frage gibt es drei mögliche Antworten, die die wichtigsten Denkschulen zur Quantenunbestimmtheit charakterisieren: (1.) Hatte das physikalische System die fragliche Eigenschaft vor der Messung tatsächlich (der realistische Standpunkt) oder (2.) hat der Akt der Messung selbst die Eigenschaft geschaffen (der orthodoxe Standpunkt) – oder (3.) können wir uns der Frage ganz entziehen, mit der Begründung, dass sie metaphysisch ist (der agnostische Standpunkt)?
„Der Pate der Quantenphysik, Niels Bohr, sprach von einer Trennung zwischen der Welt der großen Objekte, in der die klassische Newtonsche Physik herrscht, und der Welt der kleinen Objekte, in der die Quantenphysik herrscht. Doch Bohr war sich erstaunlich unklar darüber, wo die Grenze zwischen den beiden Welten verläuft“, so Becker.
Der Quantenzustand ist, wie Heisenberg sagt, eine mathematische Darstellung unseres Wissens. Er sagt uns die Menge der möglichen zukünftigen Messergebnisse mitsamt ihren Wahrscheinlichkeiten.
Anton Zeilinger
Die Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik besagt, dass physikalische Systeme nur Wahrscheinlichkeiten und keine spezifischen Eigenschaften haben, bis sie gemessen werden. Die Behauptung, dass die Quantenmechanik eine rein probabilistische Theorie ist, hat etwa Albert Einstein zutiefst beunruhigt: 1935 veröffentlichten Einstein, Boris Podolsky und Nathan Rosen das berühmte EPR-Paradoxon, mit dem sie theoretisch beweisen wollten, dass die realistische Position die einzig vertretbare ist.
Die Grundannahme, auf der das EPR-Argument beruht, ist die Lokalität: die Vorstellung, dass sich kein Einfluss schneller als mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten kann. „Einstein, Podolsky und Rosen bezweifelten nicht, dass die Quantenmechanik im Großen und Ganzen korrekt ist; sie behaupteten nur, dass sie die physikalische Realität unvollständig beschreibt“, so Griffiths und Schroeter. Die drei Wissenschaftler behaupteten also, dass der Quantenmechanik eine versteckte Variable fehle.
„Laut Bohr gibt es keine Geschichte über die Quantenwelt, denn es gibt keine Quantenwelt. Es gibt nur eine abstrakte quantenphysikalische Beschreibung. Diese Beschreibung erlaubt uns nicht mehr als die Vorhersage von Wahrscheinlichkeiten für Quantenereignisse, weil Quantenobjekte nicht auf die gleiche Weise existieren wie die uns umgebende Alltagswelt“, schreibt Becker. Er zitiert dazu noch Anton Zeilinger: „Der Quantenzustand ist, wie Heisenberg sagt, eine mathematische Darstellung unseres Wissens. Er sagt uns die Menge der möglichen zukünftigen Messergebnisse mitsamt ihren Wahrscheinlichkeiten. Es gibt kein Messproblem; Messergebnisse leben in der klassischen Welt, und der Quantenzustand ist das, was wir eine Quantenwelt nennen, die nach Heisenberg (…) nur eine mathematische Darstellung ist. Worüber Sie mit Ihrer klassischen Sprache sprechen können, das sind die objektiv existierenden Objekte des Universums, das sind die klassischen Objekte. Und das war’s. Das ist das, worüber man reden kann. Der Rest ist Mathematik.“
Einstein war dieser Interpretation gegenüber nicht freundlich gesinnt. „Diese Theorie erinnert mich ein wenig an das Wahnsystem eines überaus intelligenten Paranoikers“, schrieb er in einem Brief an einen Freund.
Einstein war nicht der Einzige, der mit der Quantenrevolution unzufrieden war – John Stewart Bell war ein weiterer. „Für Bell war die Quantenphysik ein vages Durcheinander. ‚Ich zögerte, sie für falsch zu halten‘, sagte Bell, ‚aber ich wusste, dass sie verdorben war‘“, so Becker. Ironischerweise spielte Bell eine immense Rolle bei der experimentellen Etablierung der Quantentheorie: 1964 wies er darauf hin, dass lokale Modelle mit versteckten Variablen unter eingeschränkten Bedingungen die Vorhersagen der Quantenmechanik reproduzieren können, und er entdeckte, dass dieses Ergebnis mit jeder Theorie mit lokalen versteckten Variablen unvereinbar ist. Viele Experimente zur Überprüfung der Bellschen Ungleichung bewiesen, dass die Theorie der verborgenen Variablen falsch ist.
Die experimentelle Bestätigung der Quantenmechanik, der Beweis, dass die Natur selbst nicht lokal ist, war ein Schock – ein Schock, an den wir uns alle langsam gewöhnen sollten, denn nach zahlreichen Experimenten (etwa dem von Aspect und Zeilinger) „ist die Hoffnung, dass die Nichtlokalität der Quanten irgendwie ein unphysikalisches Artefakt des Formalismus ist, nicht mehr haltbar“, wie Griffiths und Schroeter abschließend feststellen. Wir sind ergo gezwungen, unseren Widerstand gegen die Fremdartigkeit der Quantenwelt aufzugeben.