Wie die meisten Tugenden ist Exzellenz schwer zu messen, zu definieren und zu operationalisieren. Diese Fragen wurden im wissenschaftlichen Umfeld immer wieder diskutiert, beispielsweise mit dem Fokus, inwiefern quantitative vermeintliche Exzellenzindikatoren Ungleichheiten verstärken – etwa zwischen den Geschlechtern. So heißt es im vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung herausgegebenen Praxisleitfaden für Integrität und Ethik in der Wissenschaft: „Obwohl nach außen wissenschaftliche Exzellenz als Entscheidungskriterium propagiert wird, können bestimmte Verzerrungen in Evaluationspraktiken zur Benachteiligung von Frauen und anderen Gruppen in Wissenschaft und Forschung führen.“
Wo Exzellenz gemessen wird, wird Forschung bewertet. Das hat Auswirkungen darauf, welche Forscher*innen einen bestimmten Job oder Forschungspreis erhalten, welche Forschungsideen finanziert, welche Forschungseinrichtungen unterstützt werden. Dieses von Menschen gemachte System kann zu übermäßigem Wettbewerb, Konkurrenzdenken und Ellbogentaktik führen und hat weitreichende, oft unerwartete negative Auswirkungen auf das Forschungsklima, die Kultur an der Universität und somit auf das Leben von Forscher*innen. Wenn sich dieses System negativ auf die Einstellung von Wissenschaftler*innen und die Attraktivität einer Universität als Arbeitgeberin auswirkt – ist es dann nicht längst an der Zeit, etwas anderes zu überlegen?
Rankings wiederum haben einen Einfluss auf die Universitäten selbst: Sie orientieren sich an diesen und richten ihre weiteren Aktivitäten so aus, dass sie sich möglichst günstig auf das nächste Ranking auswirken. Diese Haltung ist innerhalb dieses Systems zwar rational nachvollziehbar, aber sie hat wieder Auswirkungen darauf, wer sich bewirbt – als Studierende*r, Professor*in, Mitarbeiter*in … Ist das noch exzellent? Oder sollten wir nicht vielmehr das System verändern, um umfassendere Perspektiven zu inkludieren?
Auf europäischer Ebene gibt es derzeit ernsthafte Bemühungen, dieses sich selbst perpetuierende System umzugestalten. Im Science-Europe-Dokument „Agreement on Reforming Research Assessment“ rückt die Relevanz einer qualitativen Beurteilung insbesondere durch Peer-Reviewer*innen in den Vordergrund – unterstützt durch einen verantwortungsvollen Einsatz quantitativer Indikatoren. Man hofft, dass dadurch zumindest die extremsten der beschriebenen Phänomene abgeschwächt werden können. Bislang haben weltweit 360 Forschungsorganisationen das selbstverpflichtende Dokument unterschrieben. Sie beschreiten damit dieselbe Richtung: Gemeinsam wollen sie die Bewertungspraxis von Forschung, Forschenden und Forschungsorganisationen mit dem übergeordneten Ziel verändern, die Qualität und den Impact von Forschung zu erhöhen. Mit der Unterschrift verpflichten sich die Organisationen unter anderem dazu, regelmäßig über ihren Fortschritt Bericht zu erstatten.
Wie werden zukünftige Bewertungssysteme aussehen, wie wirken sie sich aus, und was bedeutet das für die Zukunft des guten akademischen Lebens? Dieses Thema betrifft uns alle, unser aller Wohlbefinden in der akademischen Community. Wir sind begeistert, diese Entwicklung so nah mitzuerleben – als Beobachtende und Mitwirkende unter dem Motto „the fuTUre of academic life“.
Text: Marjo Rauhala und Bettina Enzenhofer