Sein Spezialgebiet, der Verkehr, erfuhr laut Berger seit dem Zweiten Weltkrieg eine Zäsur: Im Zuge der Massenproduktion wurden Autos leistbar, plötzlich konnte sich ein großer Teil der Bevölkerung einen Pkw leisten. Das wirkte sich auf die Mobilität und das Verkehrsverständnis aus. So waren die Menschen schon vor Jahrzehnten der Meinung, dass Autos zu viel Platz einnehmen. „Viele Fragen, die wir heute rund um Mobilität diskutieren, haben wir bereits in den 80er Jahren in Vorlesungen besprochen,“ so Berger. Wieso sich seitdem so wenig geändert hat? Weil der politische Wille fehlte, sagt der Forscher.
Erst jetzt, wo die Temperaturen im Alltag für jeden spürbar höher wurden und sich Initiativen wie Fridays for Future regelmäßig sicht- und hörbar für eine bessere Klimapolitik einsetzen, ist Mobilität als Thema wieder in den öffentlichen Fokus gerückt. Berger: „Wir müssen uns damit beschäftigen, sonst ist es vielleicht bald zu spät. Wohin sich das Pendel bewegt, hängt sehr stark von der Politik ab. In Deutschland setzt man auf den Ausbau von Fahrradinfrastruktur, der öffentliche Verkehr wird im gesamten deutschsprachigen Raum stark ausgebaut.“
Doch schnell gehe nichts, denn das Mobilitätsverhalten der Menschen ändert sich nun mal nicht von heute auf morgen – Anpassungen brauchen oft Jahrzehnte. Es zeigen sich auch in verschiedenen Generationen unterschiedliche Zugänge: Für die ältere Generation, insbesondere im ländlichen Raum, stellt das Auto ein Symbol für ihre Freiheit dar. Der jungen Generation ist der Pkw weniger wichtig, weil er kaum noch als Statussymbol gesehen wird.
Martin Berger
leitet den Forschungsbereich Verkehrssystemplanung an der TU Wien. Gemeinsam mit sieben weiteren Fachbereichen bildet der Bereich das Department für Raumplanung an der Universität.
Dennoch steht Berger radikaler Disruption skeptisch gegenüber: „An die großen Sprünge glaube ich nicht mehr. Vor Jahrzehnten schon wurde das fahrerlose Auto hochgeschrieben, bis heute ist es nicht in der breiten Masse verfügbar. Wir schaffen es lediglich, dass der Parkassistent halbwegs funktioniert. Vielleicht hat jemand mal eine geniale Idee, aber es gibt gewisse Grenzen in der der Nutzer*innenakzeptanz, der Sensorik, dem Recht. An denen kommt man nicht vorbei.“ Was ihn eher beschäftige, seien die evolutionären Schritte – dazu gehören Shared Mobility sowie die Neuverteilung des öffentlichen Raums. Das kann gelingen, indem Schritt für Schritt auf mehr öffentlichen Verkehr gesetzt wird, weil so für Autos reservierte Flächen sukzessive zurückgewonnen werden; denn je weniger Platz für den Pkw verfügbar ist, desto mehr gibt es für Grünflächen, die Menschen und eben auch für den öffentlichen Verkehr. Ein gewisser Verdrängungswettbewerb hat also bereits begonnen.
Dass der Wandel eben nicht radikal vonstatten geht, sondern schrittweise passiert, musste Berger mit der Zeit lernen. Dass der Wandel aber definitiv stattfindet – davon ist er überzeugt.