Haben wir die Verpflichtung, Tiere und die Umwelt zu schützen? Aus einer umweltethischen und forschungsethischen Perspektive ist das klar mit „ja“ zu beantworten. Doch ist es genug, der Umwelt schlicht „keinen Schaden zuzufügen“, wie wir immer wieder einfordern? Oder braucht es mehr – aktives Handeln, um bereits entstandenen Schaden zu beseitigen?
Der Klimawandel betrifft weit mehr als „nur“ das Ökosystem. Er macht bestehende Ungleichheiten noch größer – aus einer umwelt- und forschungsethischen Perspektive müssen wir dem etwas entgegensetzen. Der Klimawandel führt uns vor Augen, dass Macht nicht gleich verteilt ist. Das wirft viele Fragen auf. Welche Interessen von wem als höher bewertet werden, wessen Stimme von wem gehört wird oder wer für die Umwelt spricht – all das sind Fragen, über die die Umwelt- und Forschungsethik nachdenkt.
Mit dem Klimawandel gehen viele Ungerechtigkeiten einher: Beispielsweise schädigt der Ausstoß von Treibhausgasen uns alle und die Umwelt weltweit – unabhängig davon, wer nun dafür verantwortlich war oder ist. Und während es kollektiv noch eher Einigkeit darüber gibt, dass die Emissionen reduziert werden müssen, wird das notwendige, individuelle Handeln gern von sich weg und in die Zukunft geschoben. Doch das, was wir heute an Emissionen verursachen, wird sich noch auf viele Generationen negativ auswirken – das Verschieben in die Zukunft ist den zukünftigen Generationen gegenüber ungerecht.
Intergenerationale Gerechtigkeit heißt: Wir sind dazu verpflichtet, Verantwortung für das Handeln vergangener Generationen zu übernehmen, Ungerechtigkeiten anzuerkennen und heute zu handeln. Nur so ermöglichen wir ein gutes Leben für alle (inklusive Tiere und Umwelt), und zwar nachhaltig.
Zudem sind nicht alle Länder gleich betroffen: Länder des Globalen Südens, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, leiden am meisten; Länder des Globalen Nordens, die das Klima massiv geschädigt haben, können die Auswirkungen des Klimawandels besser bewältigen. Hier zeigt sich eine weitere Gerechtigkeitsfrage. Aus ethischer Perspektive ist es die moralische Pflicht privilegierter Länder, ihre Verantwortung wahrzunehmen und ihr Verhalten zu ändern, um die prekäre Situation aller anderen zu entschärfen.
All das und noch mehr hat die UNESCO 2017 in ihrer Deklaration „Ethical Principles in Relation to Climate Change“ festgeschrieben. Ihre sechs ethischen Grundsätze sind: Schäden vermeiden, Vorkehrungen treffen, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Solidarität, Integrität bei der Entscheidungsfindung.
Auch Horizon Europe (das bedeutendste EU-schungsförderungsprogramm) geht auf den Schutz der Umwelt ein: Forscher_innen, deren Forschung negative Auswirkungen auf die Umwelt haben könnte – beispielsweise wegen dem Forschungsdesign oder unerwünschten Nebeneffekten der verwendeten Technologien –, müssen in Horizon Europe sicherstellen, dass ihre Forschung keine Schäden für die Umwelt haben wird.
Und auch im 2020 vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung veröffentlichten „Praxisleitfaden für Integrität und Ethik in der Wissenschaft“ heißt es: „Verantwortungsvolles Handeln in der Wissenschaft bedeutet auch, Ressourcen möglichst nachhaltig einzusetzen, die belebte und unbelebte Natur zu schonen und damit nicht zuletzt auch zum Umwelt- und Klimaschutz beizutragen.“
Doch Deklarationen, Nachweise und Bekenntnisse sind nicht mehr als ein Anfang – Papier ist geduldig. Wir dürfen uns angesichts der Klimakatastrophe nicht mit Willensbekundungen oder Parametern zufriedengeben; eine definierte Obergrenze etwa für den CO2-Ausstoß mag aus der Perspektive von Verhandlungspartner_innen in Ordnung sein, aus umweltethischer Sicht ist das zu wenig, denn jeder CO2Ausstoß ist zu viel. Oberste Prämisse muss umfassendes, nachhaltiges Handeln sein – das bedeutet mehr als nur Verhaltensregeln zu befolgen. Wir alle müssen Haltung zeigen und Verantwortung übernehmen: Wir alle müssen unsere Handlungen dahingehend reflektieren, ob sie dem Wohlergehen unseres Planeten dienen. Jetzt.
Marjo Rauhala und Bettina Enzenhofer sind an der TU Wien tätig
...Rauhala ist für die Koordination der Forschungsethik zuständig, Enzenhofer ist Mitarbeiterin in dieser Abteilung.