Climate Science

MEHR ALS NUR WENIGER

Es begann ohne einen formellen Geschäftsplan oder Einnahmen im Sinn. Die einzige Aufgabe bestand darin, kostenlos hochwertige Lernressourcen für Kinder zu erstellen. Die Klimaaktivistenplattform Climate Science ist heute ein weltweites Projekt, das sich an Schulen, Unternehmen und Einzelpersonen richtet.

Text: Lela Thun Foto: Climate Science

„Das Ziel von Climate Science ist nicht, möglichst viel Geld zu machen. Ich sehe diese Organisation vielmehr als meine Leidenschaft an.“, sagt Eric Steinberger, Gründer von Climate Science. Es ist eine Leidenschaft, die er nun mit einer Vielzahl engagierter junger Menschen teilen kann. Zu den ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen aus mehr als 40 verschiedenen Ländern zählen Autor*innen, Übersetzer*innen, Designer*innen, Wissenschaftler*innen und viele mehr. Sie alle haben ein Ziel: Lerninhalte zum Thema Klimawandel erstellen, die akkurat zusammengestellt, umsetzbar und für jedermann zugänglich sind. Der Instagram-Account von Climate Science hat mehr als 80.000 Abonnent*innen, monatlich bekommt Climate Science über eine Million Impressions auf Google.

Bis jetzt hat sich Climate Science bereits eine einzigartige Stimme geschaffen. Die Online-Unterlagen ähneln keinen trockenen Lehrbüchern. Sie sehen auch nicht wie Vorlesungsfolien aus. Stattdessen handelt es sich um eine eingängige Kombination aus animierten Videos, Multiple-Choice-Fragen und Grafiken, die alle kostenlos zugänglich sind. Erklärt am Beispiel der Klimaprojektionen: Es gibt eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, in der erklärt wird, wie Klimamodelle Simulationen erstellen, wie sich der Wind in den Tropen bewegt, und welche Kipppunkte des Klimawandels uns in diesem Jahrhundert möglicherweise bevorstehen. „Ich sehe, wie viel man als einzelner Mensch erreichen kann, wenn man einfach die notwendigen Ressourcen hat“, sagt Steinberger, der sich schon in seiner Jugend zum Online-Lernen hingezogen fühlte.

Das Material wird an das jeweilige Publikum angepasst. Schließlich möchte Climate Science sicherstellen, dass die Informationen so weit wie möglich verbreitet werden - und sich selbst als Ökosystem von Arbeitsplätzen bis hin zu Bildungseinrichtungen positionieren. Die Unterrichtspläne für Schulen sind nach Altersgruppen gegliedert und standardisiert, so dass sie in vielen Lehrplänen in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich verwendet werden können. Die Übungen reichen von der Erstellung eines Diagramms mit Temperaturmodellen bis hin zum Erlernen des Anbaus von Pflanzen auf Papier. Und für Steinberger ist es wichtig, dass auch Erwachsene und ältere Altersgruppen erreicht werden. „Wir finden es schon wichtig, dass alle Menschen in unserem Ökosystem angesprochen werden.“ Climate Science hat bereits mit globalen Beratungs- und Chemieunternehmen zusammengearbeitet, indem es Workshops zum Thema Klimawandel mit dem Schwerpunkt auf Problemlösungen veranstaltet hat.

Wir wollen Menschen zeigen, dass sie mehr tun können, als nur ein paar Plastiksackerl weniger zu benutzen.

Eric Steinberger, Climate Science

„Wir finden es schon wichtig, dass alle Menschen in unserem Ökosystem angesprochen werden.“

Eine Affinität zur Wissenschaft zeigte Steinberger schon in jungen Jahren. Nach seiner Schulzeit ging er nach Cambridge; dort studierte er Computerwissenschaften, stieg jedoch nach einem Jahr wieder aus. „Meine Noten in Cambridge waren nicht herausragend, weil ich mich nicht so sehr auf die Prüfungen fokussierte, sondern eher auf meine privaten Projekte und Start-up-Consulting“, sagt Steinberger. Doch die nächste Eliteuniversität ließ nicht lange auf sich warten – er wechselte ans MIT und arbeitete danach einige Monate bei Facebook AI, der auf künstliche Intelligenz fokussierten Tochter des heute als Meta firmierenden IT-Riesen.

Während seiner Zeit am MIT, im Jahr 2019, startete der damals 20-jährige Steinberger dann schließlich Climate Science. Nach einem Gespräch mit Freund*innen zu diesem Thema hatte er einfach keine Antwort auf die Frage, wie der Klimawandel und die Erderwärmung gestoppt werden könnten. Steinberger: „Ich habe alle Papers dazu gelesen, die ich in die Finger bekam.“ Die Erkenntnisse waren für ihn jedoch ernüchternd, und so beschloss er, selbst nach Lösungen zu suchen und diese für alle Menschen verständlich zu präsentieren: Climate Science war geboren.

„Das alles begann zur selben Zeit wie Greta Thunbergs ‚Fridays for Future‘-Bewegung, der Markt war also da“, erklärt Steinberger. Tatsächlich wuchs die Bewegung rasch an, im September 2019 nahmen weltweit geschätzt rund vier Millionen Menschen an Klimastreiks teil. Er ist sich bewusst, dass er nicht der Einzige war, der eine Marktlücke erkannte. Allein in den Vereinigten Staaten gibt es nach Angaben des National Center for Charitable Statistics (NCCS) rund 15.000 registrierte gemeinnützige Umweltorganisationen. Gleichzeitig erkannte er aber auch: „Niemand hatte hochwertiges Bildungsmaterial über Lösungen für den Klimawandel veröffentlicht“, sagt er. „Ich war wahnsinnig frustriert.“

Der erste Schritt: Ein Instagram-Account, den Steinberger zusammen mit der Designerin Isabel Key startete. Der Mischmasch aus verspielten Grafiken und Erklärvideos behandelt alltägliche Fragen wie die Kommunikation mit Skeptiker*innen des Klimawandels oder die Frage, ob selektive Züchtung die Zukunft der Nutzpflanzen ist. Aus diesem Account hat sich nun eine ernst zu nehmende Organisation entwickelt. Diese umfasst unter anderem Kinderbücher, Youtube-Videos und Programme für Unternehmen sowie eine Olympiade (ein Student*innenwettbewerb für Menschen unter 25 Jahren, die neue Lösungen für den Klimawandel entwickeln sollen). Im Jahr 2021 gab es über 12.400 Teilnehmer*innen, von denen einige ihre Ideen sogar auf der UN-Klimakonferenz 2021 in Glasgow (COP26) präsentierten.

Es wurden bereits drei E-Books veröffentlicht, die online mehr als 25.000-mal aufgerufen wurden. Acht weitere sind in Vorbereitung, die sich an Lehrer*innen und Eltern richten und Themen wie biologische Vielfalt, Landwirtschaft und globale Gerechtigkeit behandeln. Climate Science engagiert sich in jedem erdenklichen Weg. Und trotz des raschen Erfolgs ist es noch weit davon entfernt, ein Geschäft zu sein. „Ich verdiene kein Geld mit Climate Science. Es ist mein Hobby“, betont Steinberger.

Die Mission klingt letztlich einfach: Klimalösungen handhabbar machen. Aber das auf globaler Ebene zu verwirklichen, wird nicht einfach sein. Um dies zu erreichen, möchte Climate Science mit seinem vollständig remote arbeitenden Team von 1.100 Freiwilligen in so vielen Ländern wie möglich einen Fußabdruck hinterlassen. Das Führungsteam wird außerdem von einer Gruppe von Berater*innen unterstützt, die aus dem Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen, den Vereinten Nationen und der Universität von Cambridge stammen. Sie alle arbeiten daran, seinen ursprünglichen Idee zum Leben zu erwecken. „Unsere Aufgabe ist es, Leute dabei zu unterstützen, aktiv zu Klimalösungen beizutragen – in der Schule, zu Hause und in der Arbeit“, so Steinberger. „Wir wollen Menschen zeigen, dass sie mehr tun können, als nur ein paar Plastiksackerl weniger zu benutzen.“