Ehang, FACC AG

FROM GUANGZHOU TO RIED IM INNKREIS

Die Zukunft rund um autonome Flugobjekte nimmt zunehmend Gestalt an. Einer der Pioniere in der Branche ist das chinesische Unternehmen Ehang. Mithilfe des österreichischen Industriekonzerns FACC soll dessen Technologie nun serienreif gemacht werden – doch auf dem Weg dorthin gilt es, noch einige Hürden zu überfliegen.

Text: Klaus Fiala Foto: Ehang, FACC AG

Der Artikel erschien in der Ausgabe 1–21 „Mobilität“.

Anfang 2018 begab sich Felix Lee auf einen ausgedehnten Trip durch Europa. Sein Ziel war es im Gegensatz zu ­anderen Reisenden aber nicht, das Branden­burger Tor oder den Pariser ­Louvre zu besuchen – der Chinese war auf Partnersuche: Als Overseas Ma­naging ­Director ist Lee für das chinesische ­Unternehmen Ehang, Pionier im Bereich des autonomen Fliegens, tätig. Mit seinen Autonomous Aerial Vehi­cles (AAV) will das von Huazhi Hu und ­Yifang Xiong in Asien ­gegründete Unter­nehmen in Zukunft nicht nur ­Güter per Flug­taxi transportieren, sondern vor allem auch Menschen.

Um diese Zukunftsvision umzusetzen, brauchte Ehang einen Partner, der helfen kann, die Technologie zu optimieren und in die Serienreife zu führen. Lee: „Wir wussten genau, was wir gut können, und auch, was wir noch brauchen – nämlich einen Partner, der Expertise in der Flugbranche hat und mit uns gemeinsam den nächsten ­Schritt gehen wollte.“ Fündig wurde Lee letztendlich nicht in Berlin, London oder ­Paris, sondern in Ried im Innkreis – bei der österreichischen FACC AG. Die Expertise war da: Das Unternehmen hat sich seit 1989 zu einem der führenden Zulieferer von Komponenten, Innenausstattung und Triebwerken für die Flug- und Weltraumbranche entwickelt. Und auch den Anspruch, den nächsten Schritt zu machen, hatte ­Robert Machtlinger, CEO von FACC.

Im Doppelinterview mit Lee sagt er: „Wir müssen uns überlegen, wie wir mit FACC bis 2030 ein relevanter Akteur bleiben können. Und aus dieser Perspektive ergibt der Schritt auf jeden Fall Sinn.“ Zudem scheinen sich beide Parteien auch auf der zwischenmenschlichen Ebene gut zu verstehen. Machtlinger: „Wir haben vor 30 Jahren als Start-up begonnen und versucht, dieses Denken beizubehalten. Als wir uns im März 2018 erstmals mit Ehang trafen, merkten beide Seiten schnell, dass man auf einer Wellenlänge ist.“ Lee stimmt zu: „Wir sind uns sicher, mit FACC den richtigen Partner gefunden zu haben.“

Im November 2018 wurde die Partnerschaft in Ehangs Sitz in Guangzhou unterzeichnet. Für FACC, das 2020 einen Jahresumsatz von 526,9 Millionen € verzeichnete, ist Ehang nicht der ­erste Berührungspunkt mit China: Bereits 2009 wurden 91,25 % der ­Unternehmensanteile vom chinesischen Flugzeugbauer Xi’an Aircraft Industrial Corporation (XAC) übernommen; seit dem Börsengang sind noch 55,5 % im Besitz der Tochtergesellschaft FACC Inter­national in Hongkong, der Rest befindet sich in Streubesitz.

WIR SIND UNS SICHER, MIT FACC DEN RICHTIGEN PARTNER GEFUNDEN ZU HABEN.

Felix Lee, Overseas Managing Director bei Ehan

Nun wird der Konnex zu China aber noch einmal intensiviert. Denn gemeinsam wollen Ehang und FACC autonome Luftfahrzeuge zur Serienreife bringen und außerdem an neuen Lösungen im Bereich des individuellen ­Luftverkehrs arbeiten. Aufgrund der Verbindung lässt sich Ehang auch in Österreich nieder: Der Europasitz des Unternehmens wurde in Wien angesiedelt. Lee: „Wir bauen eine komplett neue Wertschöpfungskette in Europa – ein großer Fokus liegt dabei auf Österreich. Das Land hat gute Chancen, im Bereich der städtischen Flugmobilität der führende Standort in Europa zu werden.“ FACC hat mit dem Projekt Airlabs – das etwa auch die Frequentis AG, das Austrian Institute of Technology (AIT) und drei Hochschulen (FH Kärnten, FH Joanneum und TU Graz) als Gesellschafter hat – eine weitere Initiative gestartet, die helfen soll, den Standort attraktiv zu machen.

Das Potenzial ist jedenfalls da: Auf 45 Milliarden US-$ könnte der Markt für autonome Flugobjekte bis 2025 wachsen, wobei hier auch die militärische Nutzung einfließt. Der Markt für urbane Flugmobilität wird von der Forschungsplattform Research and Markets wiederum auf 15 Milliarden US-$ Volumen im Jahr 2030 geschätzt – was ein jährliches Wachstum (CAGR) von 11 % bedeuten würde. Neben Ehang gibt es aber auch andere ambitionierte Start-ups, darunter Volocopter aus dem deutschen Bruchsal und das Münchner Unternehmen Lilium Aviation. Während Volocopter kürzlich 241 Millionen US-$ Fremdkapital einsammelte, strebt Lilium an die Börse. Beide Unternehmen haben derzeit jedoch keine nennenswerten Umsätze vorzuweisen.

Doch auch etablierte Konzerne ­mischen mit: Airbus und Boeing starteten eigene Initiativen, der Autokonzern Daimler ist bei Volocopter investiert, Porsche hat eine strategische Partnerschaft mit Boeing verkündet. Audi und Airbus hingegen beendeten eine Zusammenarbeit überraschend, da das gemeinsame Projekt „Pop-up Next“, eine Kombination aus autonomen ­Elektroautos und autonomen Flugtaxis, zu teuer und zu komplex ist.

Machtlinger und FACC bringt das womöglich in eine schwierige Position. In gewisser Weise tritt das oberösterreichische Unternehmen nämlich mit seinen größten Kunden – darunter Airbus und Boeing – in Konkurrenz. Doch Machtlinger betont, dass FACC durch die Partnerschaft mit Ehang neue Komponenten erforschen, anwenden und optimieren kann. Das soll zu Erkenntnisgewinn auch in anderen Segmenten führen. „Ich denke nicht, dass wir mit Airbus und Boeing in Konkurrenz gehen. Vielmehr lernen wir Neues, das der gesamten Branche zugutekommen wird“, so der CEO von FACC. Dass die Branche das benötigen kann, zeigen die ­Zahlen: Insbesondere der Flugzeugbau litt ­massiv unter der Coronakrise, FACC schrieb einen Verlust von 74 Millionen €, 650 Mitarbeiter werden abgebaut.

Felix Lee
ist Overseas Managing Director von Ehang, einem chinesischen Hersteller von autonomen Flugobjekten (Autonomous Aerial Vehicles – AAV). Lee ist seit 2015 bei Ehang tätig.

Robert Machtlinger
ist seit Februar 2017 CEO des oberösterreichischen Industriekonzerns FACC AG.

Lee ist indes überzeugt, dass Ehang der Konkurrenz voraus ist: „Wir sind das einzige Unternehmen, das sich von ­Anfang an auf autonome Flugobjekte ­fokussierte. Zudem haben wir ein digitales Ökosystem gebaut, das neben der Produktion der Flugzeuge selbst auch Softwarelösungen umfasst, die Steuerung und Kontrolle ermöglichen.“ Tatsächlich gilt die Hardware – darunter das Vorzeigeobjekt Ehang 216 – als technologisch weit fortgeschritten; bei der Geschwindigkeit ist Ehang Marktführer. Doch auf dem Weg zur breiten Akzeptanz autonomer Flugobjekte sind noch einige Hürden zu überwinden. Insbesondere der europäische Luftraum gilt als eng und viel beflogen, Kolli­sionen wollen verhindert werden – daher gibt es hier strenge Regulierung. Da Flugtaxis in der Regel auch vergleichsweise niedrig fliegen, kommt der Schutz der Privatsphäre von Anwohnern dazu.

Bis dato ist auch unklar, welche Infra­struktur im städtischen Bereich benötigt wird, um AAV massentauglich zu machen. Ehang verkündete im ­Oktober 2019 eine Kooperation mit dem Telekomanbieter Vodafone – denn ohne flächendeckende 5G-Technologie könne der nötige Daten­austausch nicht gewährleistet werden. Auch die Batterieleistung gängiger Lösungen reicht oft nicht aus, um längere ­Flüge zu ermöglichen. Und drittens ist die Akzeptanz in der Gesellschaft nicht so weit gediehen, wie es sich die Hersteller wünschen würden: Eine Befragung des Beratungshauses Bearing Point zeigte, dass in Deutschland 53 % der Befragten gegen einen Einsatz der revolutionären Transportform seien – die Angst vor Abstürzen ist zu groß.

Lee und Machtlinger kennen die Hürden, zeigen sich aber dennoch opti­mistisch. Machtlinger: „Technische Fragen sind ein Thema, die recht­lichen Rahmen­bedingungen werden aber die größte Herausforderung. Doch wir ­sehen viel Bewegung in Europa und den USA – die Behörden bringen sich aktiv ein. Das Thema nimmt Geschwindigkeit auf.“ Laut Lee sollte die Europäische Welt­raumagentur ESA die Ehang-Flug­objekte bis 2025 zertifizieren. „Es gibt viel Grund zur Hoffnung“, so Lee.