Wer verdient es, mit öffentlichen Mitteln finanziert zu werden? Welche Themen sind es wert, erforscht zu werden? Und wer entscheidet das? An den Antworten auf diese Fragen lässt sich nicht nur die Unabhängigkeit der Wissenschaft, sondern auch die Attraktivität eines Forschungsstandorts ablesen. Wie funktioniert also die Forschungsförderung in Österreich am Beispiel des Wissenschaftsfonds FWF?
Die Fördervergabe erfolgt nach transparenten Regeln, die ein Ziel verfolgen: jene Forschenden zu unterstützen, deren Arbeiten von hoher internationaler wissenschaftlicher Qualität sind und die versuchen, die Grenzen des vorhandenen Wissens zu erweitern – und das unabhängig von politischen, kommerziellen oder anderen Versuchen der Einflussnahme. Wer mit einem Forschungsprojekt darauf abzielt, vorhandenes Wissen zu erweitern, hat gute Chancen, gefördert zu werden. Für den Bereich der Grundlagenforschung stellte der Bund zusätzlich zur Basisfinanzierung der Forschungsstätten 2021 rund 260 Millionen Euro an Forschungsförderungen über den Wissenschaftsfonds FWF bereit. Das sind laut unidata ca. 23 Prozent aller Drittmittel der Universitäten in Österreich.
Die zentrale Aufgabe des FWF ist es, diese öffentlichen Mittel in einem fairen, transparenten und politisch unabhängigen Wettbewerb nach internationalen Qualitätsmaßstäben an Forschende zu vergeben. Diese wettbewerbliche Vergabe schafft auch die nötige Akzeptanz in der wissenschaftlichen Community. Konkret bedeutet das beim FWF, dass niemand von außen entscheidet, welche Forschungsfrage erforscht wird, sondern die Wissenschaftler:innen wählen selbst, welcher Frage sie auf dem Grund gehen – aus intrinsischer, und nicht nach extrinsischer Motivation. Das ist das themenoffene Bottom-up-Prinzip, das der wissenschaftlichen Qualität den Vorrang gibt und gar nicht erst versucht, den Erkenntnisgewinn top-Down in eine bestimmte Richtung zu lenken. Am Ende ist es die internationale wissenschaftliche Community, die anhand festgelegter Qualitätskriterien festlegt, welche Projekte eine Förderung erhalten. Warum ist dieses Prinzip so wichtig? Weil niemand vorhersagen kann, auf welches Wissen es in Zukunft besonders ankommen wird. Aber je breiter die Wissensbasis, desto mehr Möglichkeiten gibt es, Antworten auf die Herausforderungen von morgen finden zu können. Forschende wissen selbst am besten, in welchem Bereich neue Erkenntnisse gewonnen werden können. Bestes Beispiel ist der Nobelpreisträger Anton Zeilinger – vor 40 Jahren ahnte niemand, welche weitreichenden Erkenntnisse sich aus seiner Forschung ergeben würden. Er profitierte bereits in den 1970ern von FWF-Förderungen, zahlreiche weitere Grants sollten folgen. Das schwedische Nobelpreis-Komitee bezog sich in seiner Begründung auf zehn wissenschaftliche Publikationen von Anton Zeilinger, in neun davon wird dem FWF für die Projektfinanzierung gedankt. Ein anderes Beispiel ist die Nobelpreisträgerin Emmanuelle Charpentier, die zusammen mit Kolleg:innen die Genomeditierungstechnologie CRISPR-Cas9 entwickelt hat. Diese Entwicklung kam sehr überraschend und wird heute weltweit u.a. für neue Therapien eingesetzt. Ermöglicht wurde das durch öffentlich finanzierte Förderungen, die auch der FWF bereitgestellt hat. Themenoffen bedeutet eben nicht themenlos. Forschende gehen gezielt in Bereiche, die bei vielen gesellschaftlichen Herausforderungen eine Rolle spielen. Ob Klimaerwärmung, Gesundheit, technologischer Fortschritt, Geschichte oder Demokratie – so wächst das Fundament für eine Vielzahl von innovativen Lösungen und Antworten.
Das Auswahlprinzip, auf das sich die wissenschaftliche Community verständigt hat und das auch der Wissenschaftsfonds FWF anwendet, ist die Vergabe auf Basis eines internationalen Peer-Review-Verfahrens. Der FWF greift dabei ausschließlich auf Gutachten von im Ausland tätigen Wissenschaftler:innen zurück. Diese Gutachten sind die Basis für alle Förderentscheidungen, mit dem Ziel, so die Qualität der Forschungsarbeiten auf internationalem Niveau zu sichern. Der FWF ist allen Wissenschaften sowie der künstlerisch-wissenschaftlichen Forschung in gleicher Weise verpflichtet und verwendet keine Quotenregelung, um die Mittelverteilung zwischen den einzelnen Fachgebieten oder Forschungsstätten zu steuern. In der Praxis funktioniert das so: Forschende beschreiben ihre Forschungsidee in einem Antrag und reichen ein. Im nächsten Schritt suchen die gewählten wissenschaftlichen Referent:innen des FWF, die selbst in ihrem Fachbereich eine hohe Expertise besitzen und als Forschende in Österreich tätig sind, pro Förderantrag mindestens zwei internationale Gutacher:innen für das Peer-Review aus. Die wissenschaftlichen Projektbetreuer:innen des FWF wiederum prüfen alle Beteiligten im Hinblick auf Befangenheiten und bereiten gemeinsam mit den Referent:innen einen Entscheidungsvorschlag für die Vergabesitzung des FWF-Kuratoriums vor. Diese Entscheidungssitzungen finden fünf Mal pro Jahr statt. An den Terminen kommen die Referent:innen für zwei Tage zusammen, um die Gutachtenlage jedes Antrags zu bewerten und jedes Projekt individuell zu entscheiden. Projekte, die als exzellent bewertet sind, werden zur Förderung vorgeschlagen – wobei in diesem Top-Segment das derzeit vorhandene Förderbudget des FWF nicht ausreicht, alle exzellenten Projekte fördern zu können. Bewertet werden die eingereichten Forschungsprojekte nach festgelegten Kriterien, dazu zählen vor allem Innovation, Qualität, Methodik und Qualifikation sowie ggf. auch ethische und/oder geschlechts- bzw. genderrelevante Aspekte. Exzellent bedeutet beim FWF, dass das beantragte Projekt nach internationalen Maßstäben unter den besten in seinem Feld angesiedelt ist und das Potenzial hat, bahnbrechende und/oder außerordentliche Beiträge zur Entwicklung des Wissensstandes zu leisten.
Das Förderportfolio des FWF orientiert sich an den Bedürfnissen der Spitzenforschung, von individuellen Karriereförderungen in der Postdoc-Phase über Projektförderungen für mehrjährige Forschungsvorhaben in kleinen oder größeren Teams bis hin zur Förderung von standortübergreifender oder internationaler Zusammenarbeit. Je nach Forschungsvorhaben unterscheiden sich auch die Fördermöglichkeiten, es gibt darüber hinaus eigene Angebote zur Doktorand:innenförderung, für Citizen-Science-Projekte und Wissenschaftskommunikation. Das Förderportfolio ist grundsätzlich themenoffen und wird in wenigen Bereichen durch kleinere thematisch orientierte Programme ergänzt. Ganz egal, in welchem Förderprogramm man einreicht, am Ende wird über alle Anträge im wissenschaftlichen Kuratorium auf Basis des internationalen Peer-Review entschieden.
Stefan Kranewitter ist Head of Communications beim Wissenschaftsfonds FWF.
Text: Stefan Kranewitter