Energie-fresser bitcoin

Bitcoin glänzen wie virtuelles Gold, doch ihr Ruf hat in den letzten Jahren gelitten. Denn die Kryptowährung braucht enorme Energiemengen und verursacht riesige Mengen Elektroschrott. Ist Bitcoin also ein Energiefresser und Ressourcenvernichter? Wir haben mit Lukas Aumayr und Nikolaus Houben, Experten für Kryptowährungen an der TU Wien, zu dem kontroversiellen Thema gesprochen.

Text: tuw.media-Redaktion

Bitcoin versprechen satte Gewinne, einen Schutz vor Inflation, die Freiheit von staatlicher Kontrolle und Unabhängigkeit vom Zugriff großer Banken. Das Vertrauen in das traditionelle Finanzsystem litt nach 2008 massiv, ausgelöst vom Konkurs von Großbanken wie Lehman Brothers, dem eine Finanzkrise folgte. Menschen fürchteten um ihre Ersparnisse und Vermögen, der Glaube an die Banken bekam Risse. Zu diesem Zeitpunkt – im Oktober 2008 – trat eine mysteriöse Figur in die Öffentlichkeit: Satoshi Nakamoto veröffentlichte ein White Paper zu einer neuen digitalen Währung: Bitcoin sind eine Utopie mit dem Potenzial, unsere Welt und unser Geldsystem vollkommen zu verändern. Sie schwächen die Macht der Banken und verhindern Zugriffsmöglichkeiten von Staaten. Das Vertrauen, das Kund*innen in eine Bank setzen, wird bei Bitcoin durch Vertrauen in den Code ersetzt, auf dem Bitcoin läuft. Das Geldgeschäft erfährt eine Demokratisierung, denn alle beteiligten Miner bestätigen einzeln, dass die jeweilige Transaktion den vorgegebenen Regeln entspricht.

Hungrige Bitcoin

Bitcoin übernehmen damit viele Teilaufgaben von Geld und Gold. Zudem handelt es sich dabei um die erste digitale Währung, die nicht kopiert werden kann. Der Preis für diesen Goldstandard von Bitcoin ist der „Proof of Work“ (PoW) der Miner. Dieser „Arbeitsbeweis“ dient der Unverwechselbarkeit einzelner Bitcoin, er ist aber auch das, was Bitcoin ins Gerede bringt: ihr Energiehunger und Umweltbelastungen, die bei Erzeugung und Handel mit der größten aller Kryptowährungen entstehen.

Bitcoin eröffnen ungeahnte Möglichkeiten und nehmen einen immer wichtigeren Platz am Finanzmarkt ein, denn auch Investor*innen haben durch die Kursgewinne von Bitcoin und anderen Kryptowährungen Appetit bekommen. Wenn der Kurs von Bitcoin steigt – laufen Investor*innen und Maschinen heiß, da mehr Teilnehmer*innen sich im Netzwerk bewegen. Was passiert? Grundlage von Bitcoin ist die Blockchain, die aus einzelnen, durch die Lösung komplexer Rechenaufgaben erstellte Blocks besteht und die Unverwechselbarkeit und Nachvollziehbarkeit garantiert. Betrüger*innen müssten die gesamte hinter einem Block liegende Blockchain verändern, was aufgrund der dafür erforderlichen Rechenleistungen unmöglich ist. Das Mining bzw. Schürfen von Bitcoin ist also die Suche nach einem Block, der nach seiner Auffindung in die Blockchain integriert wird. Die Belohnung dafür sind Bitcoin – nach Erbringung des beschriebenen PoW. Daraus ergibt sich: Je höher die Nachfrage ist, desto stärker steigt der Bitcoin-Preis. Ist der Preis höher, schürfen mehr Miner. Das hat aber auch einen erhöhten Energieverbrauch zur Folge, da die Schwierigkeit der zu lösenden Rechenaufgaben automatisch steigt.

Wer schürft, benötigt also einen enormen Energieaufwand. Die Krux daran ist, dass genau dieser Energieaufwand die Kryptowährung „hart“ macht. Aktuell ist der Energieverbrauch von Bitcoin laut Berechnungen der Plattform Digiconomist.net auf einem Allzeithoch und wird mit 204,50 TWh pro Jahr angegeben – in der Einheit Terawattstunden wird sonst der Energieverbrauch ganzer Staaten gemessen. So entsprechen jene 204,50 TWh/Jahr dem Energieverbrauch von ganz Thailand. Auch der CO2-Fußabdruck von Bitcoin ist vergleichsweise hoch und wird mit 114,06 Mt CO2 angegeben – er ist damit mit jenem von Tschechien vergleichbar.

Nikolaus Houben, PhD-Kandidat an der Energy Economics Group und Energieexperte, betont: „Wenn es ums Mining geht, ist die ökonomische Betrachtung zentral. Wir sind bei Dimensionen angelangt, in denen Miner ein eigenes Kraftwerk zur Energieerzeugung betreiben müssen, oder sie entnehmen den Strom aus dem Stromnetz – hybride Formen sind möglich. Miner schließen sich daher überwiegend einem Mining-Pool an, der dann in Serverfarmen in den USA oder Kasachstan schürft.“ Privates Mining verschwindet aktuell zunehmend, da die geschürften Bitcoin den Wert der Energiekosten nicht mehr decken können.

One-Trick-Pony

Damit nicht genug, ist auch der Elektroschrott, der durch Bitcoin entsteht, enorm: „Die Hardware, die zum Schürfen von Bitcoin verwendet wird, ist hochspezialisiert und wurde ausschließlich für diesen Zweck konstruiert“, erzählt Lukas Aumayr, auf Blockchain und Kryptowährungen spezialisierter Doktorand am Institut für Logic and Computation der TU Wien. Der Zeitraum, während dem diese Rechner verwendet werden, beläuft sich nur auf etwas mehr als ein Jahr, weil sie durch Innovationen obsolet werden. Das Problem dabei: Es entstehen Tausende Tonnen an Elektroschrott, weil diese Hardware als „One-Trick-Pony“ ausschließlich fürs Mining verwendet werden kann. Dadurch entstehen laut der Plattform Digiconomist 34.52 kt Elektroschrott pro Jahr, vergleichbar mit den Mengen an Elektroschrott, den ein Land wie die Niederlande produziert.

"Wir sind bei Dimensionen angelangt, in denen Miner eineigenes Kraftwerk zur Energieerzeugung betreiben."
Nikolaus Houben, Doktorand der Energy Economics Group der TU Wien, über den Energieverbrauch von Bitcoin.

Bye-bye Bitcoin!

Mitte September 2021 war es so weit: China, das Bitcoin-Mining-Land schlechthin, beschloss ein Verbot aller Bitcoin-Transaktionen sowie das Mining der digitalen Währung. Die chinesische Regierung erklärte ihr Verbot mit dem exorbitanten Energieaufwand des Bitcoin-Minings, was aber wohl nur ein Teil der Wahrheit ist. Denn Expert*innen mutmaßen, dass der chinesischen Regierung wohl auch das anarchische Moment von Bitcoin ein Dorn im Auge ist. China arbeitet seit Jahren an einem digitalen und von der chinesischen Notenbank kontrollierten Yuan – das Projekt ist auch ideologisch das genaue Gegenteil der schwer kontrollierbaren digitalen Währung Bitcoin.

Die schlechten Nachrichten für Bitcoin waren damit aber nicht zu Ende: Auch in der Europäischen Union wird ein Miningverbot überlegt, im Kosovo wurde es aufgrund der ohnehin gängigen – und durch das Mining verschärften – Stromausfälle bereits umgesetzt.

In welchen Ländern siedeln sich die Miningfarmen also an? Ganz klar: Sie gehen dorthin, wo die Energiekosten am geringsten sind. Chinas Nachbarland Kasachstan wurde daher zum zweitwichtigsten Hafen für Bitcoin-Miner – und kämpft nun selbst mit Stromausfällen. Als Reaktion plant das Land gegen illegale Schürfer, sogenannte „grey miners“, vorzugehen. Bis die Maßnahmen wirken, wendet sich die kasachische Regierung an Russland um Unterstützung, was geopolitische Abhängigkeiten zutage treten lässt.

Tatsächlich sind die ökologischen Folgen des chinesischen Verbots der Bitcoin-Miningfarmen noch nicht absehbar, meint Houben, da das Verbot der Miningfarmen noch relativ neu ist. China diente vorwiegend die CO2-neutrale Wasserkraft zur Energieerzeugung für Bitcoin.

Die USA sind nach dem Ausstieg Chinas zum wichtigsten Land der Miningfarmen geworden – mit dem Effekt, dass alte fossile Energieanlagen wieder in Betrieb genommen werden.

Houben weist ebenfalls darauf hin, dass erneuerbare Energien am kostengünstigsten wären, wenn nicht CO2-intensive Energiequellen wie Gas und Kohle subventioniert, bzw. ein adäquater CO2-Preis fehlen würde. Er sieht die Zukunft des Mining in Wasserkraft oder Solarenergie – Kostenwahrheit vorausgesetzt. Der Energiehunger von Bitcoin steht außer Zweifel. Wenn aber Unternehmer wie Elon Musk oder ganze Nationen den Schutz der Umwelt als Gründe für ein Verbot oder Boykott der Kryptowährung nennen, lohnt sich ein kritischer Blick auf mögliche andere Beweggründe. Die Rettung der eigenen Geschäftsgrundlage und Kontrollverlust kann für Staaten und Banken auch ein Anreiz sein, Kryptowährungen wie Bitcoin zurückzuweisen. Der Hinweis auf den CO2-Fußadruck und Umweltbelastungen könnte also davon ablenken, dass es auch um das Schwinden von Zugriffs- und Lenkungsmöglichkeiten geht, so der Energieexperte.

Gaming und Streaming

Im Zusammenhang mit der Kritik an Bitcoin sollten wir somit auch unseren Energiehunger insgesamt unter die Lupe nehmen. Nikolaus Houben verweist etwa auf Streamingdienste und Onlinegaming, die einen ähnlich hohen Energiebedarf wie Bitcoin aufweisen, aber nicht so heiß diskutiert werden. Letztendlich verbraucht nämlich alles, was wir im Internet machen, Energie – von der Suchmaschine bis zum Lesen oder dem Browsen durch Social-Media-Kanäle. Doch diese Industrie hat kein mächtiges Gegenüber mit gegenläufigen Interessen wie etwa die durch Kryptowährungen in die Enge getriebenen Banken.

Unstoppable Bitcoin

Unabhängig davon, ob nun Bitcoin und andere energieintensive Kryptowährungen verboten werden, sind sich Houben und Aumayr einig: Der Aufstieg von Bitcoin lässt sich nicht mehr aufhalten. Es werde immer Schlupflöcher und Möglichkeiten geben – das läge in der Natur der Sache.

Houben ist der Meinung, dass die Politik und viele Staaten die Beschäftigung mit Bitcoin verschlafen und fordert, dass die Politik eine aktive Rolle spielt und ihre Einflussnahme prüft, um ureigene staatliche Interessen zu vertreten. Wieder sind es hier die USA, die vor Kurzem ihre Offenheit gegenüber Bitcoin und Kryptowährungen bekräftigten – und damit ihr Bekenntnis zur Technologieführerschaft. Anfang März kam Präsident Biden in einer Executive Order auf den Umgang der USA mit Kryptowährungen im Allgemeinen zu sprechen: „Die Vereinigten Staaten müssen die technologische Führerschaft in diesem schnell wachsenden Raum beibehalten, Innovation fördern und zugleich die Risiken für Verbraucher, Unternehmen, das Finanzsystem und das Klima abmildern.“

Nikolaus Houben forscht an der TU Wien zu Anwendungen von Machine Learning in Strommärkten.

Exitstrategien

Ist es möglich, Bitcoins Energiehunger, der durch den „Proof of Work“ entsteht, einzudämmen? Aumayr ist sich mit anderen Expert*innen darüber einig und sieht einen Umstieg nicht ausgeschlossen, plant doch die zweitgrößte Kryptowährung Ethereum zum „Proof of Stake“ zu wechseln. Die Methode ist also etabliert – würden doch die Stakeholder mit den meisten Stakes (also Bitcoin) die Verifizierung erbringen.

Eine weitere Möglichkeit, die Aumayr nennt, ist der „Proof of Space“, für den Speicherplatz benötigt wird. Beide Möglichkeiten sind vielversprechend, denn durch sie würden die enormen Rechenleistungen umgangen. Die Bitcoin-Community hat allerdings Bedenken, so Aumayr: „Einerseits aus Gründen der Sicherheit, andererseits würde der Umstieg auf andere Methoden – insbesondere bei der Proof-of-Stake-Methode – den Charakter und das gesellschaftliche Moment der Gleichheit aller Nutzer*innen aufheben. Damit wäre wieder eine privilegierte Position eingeführt, aus der heraus andere Teilnehmer*innen ausgeschlossen werden können – wie die von Satoshi Nakamoto kritisierten Banken.“

Aumayr forscht seit Jahren an einem großen Problem von Kryptowährungen: der Skalierbarkeit, die diese in ihrer Praktikabilität einschränkt. „Skalierbarkeit“ bedeutet, dass mehr Transaktionen in der gleichen Zeit abgewickelt werden können. Derzeit können nur zehn Transaktionen pro Sekunde vorgenommen werden – eine beträchtliche Einschränkung verglichen mit den 30 bis 40.000 Transaktionen, die Kreditkartensystemen pro Sekunde schaffen. Aumayr arbeitet an einer Verbesserung des Transaktionsprotokolls und entwickelte eine Alternativvariante, mit der sicherheitskritische Attacken ausgeschlossen werden können: „Bisher waren zwei Kommunikationsrunden nötig: In der ersten Runde wird das Geld gesperrt, in der zweiten Runde wird es freigegeben – oder zurückgebucht, wenn es Probleme gibt. Das kann bedeuten, dass für jed*en User*in in dieser Kette ein zusätzlicher Tag an Verzögerung auftritt. Bei unserem Protokoll muss die Kommunikationskette nur einmal durchlaufen werden“, erklärt der Forscher. Der Vorteil daran ist, dass die Praktikabilität von Bitcoin verbessert wird, dass aber auch gebündelt und so Rechenleistung eingespart wird. Durch diese Ersparnis der Rechenleistung wird durch die technologische Weiterentwicklung der Software am Energieverbrauch der Kryptowährung gedreht.

Goldgräberstimmung in Texas

Im Land der Miningfarmen Nummer eins, den USA, werden nicht nur Kohlekraftwerke für Bitcoin reaktiviert. Betreiber überlegen sich, wie sie natürliche Ressourcen durch Wind- und Solarenergie erzeugen können und durch smarte Lösungen zusätzlichen Gewinn lukrieren können. Die Idee: Miningfarmen kaufen bei Spitzen in der Energieerzeugung überschüssige Energie mit einem Rabatt, stellen aber ihre Rechner komplett ein, wenn durch Frost- oder Hitzeperioden Energie für das Heizen oder Kühlen von Haushalten benötigt wird.

Bereits aufgebaut ist die texanische HODL-Ranch, ein 150 Megawatt starkes Krypto-Mining-Datencenter. Sie ist der erste Großbetrieb in Texas, der ausschließlich mit Wind- und Solarenergie betrieben werden soll. Immer wieder sind die Windböen so heftig, dass Strom wieder abgegeben werden kann.

Goldgräberstimmung herrscht auch bei Crusoe Energy Systems, einem Unternehmen, das ein Risikokapital in der Höhe von 250 Millionen US-$ von Investoren wie Tesla-Mitgründer J. B. Straubel und den Kryptomilliardären Cameron und Tyler Winklevoss lukrieren ­konnte: Die Firma schürft Bitcoin mitten in entlegenen Öl- und Gasfeldern in New Mexico, Texas und North Dakota. Crusoe hat bereits 45 Container voller Bitcoin-Mining-Computer aufgestellt, die mit Erdgas betrieben werden, das aus technischen Gründen ansonsten verbrannt werden müsste. Das Mining-Center heftet sich auf die Fahnen, pro Tag rund 280 Millionen Liter Erdgas vor dem Verbrennen zu retten.

Diese Beispiele zeigen beeindruckende Möglichkeiten und die Innovationskraft der Menschen. Doch bleibt die Tatsache bestehen, dass unser weltweiter Energieverbrauch im Laufe der letzten 30 Jahre um 58 % gestiegen ist (statista.de). Bitcoins Energie- und Ressourcenhunger ist Teil eines gewaltigen Problems, das die Kryptowährung wie durch ein Brennglas hervortreten lässt und das durch den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine an Dringlichkeit gewonnen hat. Gewiss ist: Bitcoin werden nicht verschwinden. Selbst wenn es so wäre, müssten wir uns dennoch dringend mit ihrem – und unserem – gegenwärtigen und zukünftigen Ressourcen- und Energieverbrauch beschäftigen.

Lukas Aumayr forscht an der TU Wien im Bereich Sicherheit und Datenschutz.

Lukas Aumayr ist Doktorand am Institut für Logic and Computation an der TU Wien und forscht im Bereich Sicherheit und Datenschutz. Sein Forschungsinteresse gilt Kryptowährungen, der Blockchain, der Skalierbarkeit von Systemen und Offchain-Protokollen.

Nikolaus Houben ist Doktorand in der Energy Economics Group der TU Wien, wo er Forschungen zu Anwendungen von Machine Learning in Strommärkten betreibt. Er beschäftigt sich außerdem mit alternativen Kryptowährungssystemen, da er von deren zunehmenden Bedeutung überzeugt ist.

Text: Edith Wildmann
Fotos: Bettina Reiger/Nikolaus Houben
Visual Artist: Yeye Weller

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 1–22 zum Thema „Klima“.