TU Wien

EINE HYBRIDE LÖSUNG

Hervorragende Forschung braucht hervorragende Infrastruktur. Als Chief Information Officer (CIO) der TU Wien ­unterstützt Bernd Logar die Mit­arbeiter*innen bei ihrer oft anspruchsvollen Arbeit in Forschung und Lehre. Die Herausforderungen, aber auch die Chancen sind dabei laut Logar so groß wie noch nie.

 

Text: Silvan Mortazavi Foto: TU Wien

Wie interpretieren Sie Ihre Rolle als CIO der TU Wien, was genau sind Ihre Auf­gaben?

[Bernd Logar]: Ich habe bei der TU Wien mit dem klaren Auftrag begonnen, die IT zu restrukturieren und weiterzuentwickeln. Ich habe den Anspruch, über die IT Innovationen zu unterstützen, sie also zu enablen. Die Forscher*innen sind es dann, die damit arbeiten. Ich unterstütze sie bei Dingen, die sonst mit klassischer IT nicht so funktionieren. Ich sehe da drei Ebenen: die IT und das Spezialist*innenwissen – und dazwischen ganz viel Platz, wo man Verbindung schaffen muss und unterstützen kann. Forschungsprojekte haben im Gegensatz zur Industrie oft keine ganz konkreten Ziele. Da beginnt man etwas und „fährt mal los“. Ich betreibe klassisches Enabling – zuerst organisatorisch, das heißt, ich kaufe ein, was gebraucht wird; aber in einem weiteren Schritt folgt auch der Em­powering-Ansatz. Man muss die Mitarbeiter*innen dazu bringen, die Ausrüstung auch nutzenstiftend verwenden zu können. Die Interessierten sollen dann selbstständig fliegen lernen.

Glauben Sie, dass mit fortschreitender Digitalisierung jede*r von uns in neuer Technologie denken und sie verwenden können muss?

[B. L.]: Jeder wird lernen, damit umzugehen, nicht nur Informatiker*innen, sondern Forscher*innen in vielen Bereichen: Maschinenbauer*innen, ­Geodät*innen, Chemiker*innen, Klimaforscher*innen, Mediziner*innen. Jeder hat in irgendeiner Form damit zu tun. Wichtig ist hier das Infrastructure Architecture Management: Man muss herausfinden, welche Tools und Methoden wirklich zusammenpassen, damit man dann die Probleme in den jeweiligen Spezialbereichen lösen kann. Erst durch das Zusammenspiel der Forscher*innen und IT-Experten*innen wird das machbar. Wir versuchen, immer bestmögliche Infrastruktur zu bieten. Aktuell gehen wir an der TU zum Beispiel wieder in Richtung 100-Gigabit-­Anbindung.

DIE ZUKUNFT
IST WOHL
HYBRID.
DAS NUTZBAR
ZU MACHEN –
DAS IST
DIE WAHRE
HERAUS­FORDERUNG.


Bernd Logar über die Schwierigkeit, Offline- und Online-Welt zusammezubringen.

Ist diese Anbindung für alle Forscher*innen der TUW nutzbar?

[B. L.]: Sie ist für alle nutzbar, aber nur ein kleiner Teil braucht diese Bandbreite. Die Anforderungen steigen aber nicht nur in der Tiefe, sondern auch in der Breite enorm: Viele sind im Home­office, es gibt viele Kurse für Student*innen, die zu Hause sind. Auf die Videoplattformen werden jede Woche Hunderte Videos gestellt, die aufgerufen und konsumiert werden. Dafür muss man gerüstet sein.

Wie sehen die Erneuerungs­zyklen beim Material aus, wie oft muss man updaten? Kommt man da überhaupt nach in der aktuellen Situation?

[B. L.]: Die Infrastruktur­komponente ist im Moment eine große Challenge. Gerade bei einer Universität ist das natürlich auch ein Thema der Kosten. Die TU Wien ist da aber gut aufgestellt. Gerade jetzt waren plötzlich alle Mitarbeiter*innen im Home­office, da waren auf einmal Tausende VPNs nötig. Da muss man dann eben mit. Aber auch anwender­seitig muss man lernen, damit umzugehen. Die Zukunft ist wohl hybrid, teils mit Anwesenheit, teils virtuell. Das nutzbar zu machen – das ist die wahre Herausforderung.

Wie weit sind wir noch weg vom komplett hybriden Unterricht, wo alle Teilnehmenden – ob zu Hause oder im Hörsaal – auch miteinander interagieren können?

[B. L.]: Das gibt es schon, aber nur in die eine Richtung. Dass aber alle Teilnehmer*innen auch untereinander kommunizieren können, als wären sie im gleichen Raum, das ist noch nicht möglich. Natürlich kann man einen Chat starten, aber eine Frage in die Runde stellen wie im Hörsaal – das ist schwierig. Wir sind dran, das wird sich entwickeln, aber noch sind wir nicht ganz dort. Wichtig ist aber auch wieder das Empowering: Wie bringt man den Lehrveranstaltungs­leiter*innen die Technik bei, ohne dass man sich jedes Mal eine halbe Stunde dafür vorbereiten muss?

 

Wer sind denn Ihre anspruchsvollsten Ansprechpartner*innen an der TUW in puncto Infrastruktur? Anders gefragt: Wer braucht die meiste Systemleistung?

[B. L.]: Die Klimaforscher*innen sind da sicher ganz vorne mit dabei. Sie arbeiten viel mit Rohdaten von Satelliten, die erst aufbereitet werden müssen. Das Metadaten-Management, damit man die Daten überhaupt verwenden kann, ist sehr aufwendig. Sonst sind es auch die Geodät*innen. Die Physiker*innen sind noch anspruchsvoller, doch die arbeiten traditionellerweise mit dem CERN (Europäische Organisation für Kernforschung, Anm.) zusammen und verarbeiten viele Daten dort. Zusätzlich haben wir gemeinsam mit der Uni Wien und anderen Universitäten gemeinsam den High Performance Computer HPC in dritter und vierter Generation, die fünfte ist gerade in Anschaffung. Er wird im Rahmen des Vienna Scientific Cluster von der TU im Arsenal in Wien betrieben, hat aber gemeinsames Funding mehrerer Hochschulen. Zum Zeitpunkt der Anschaffung ist man unter den Top 100 weltweit, was die Leistung angeht, am Ende des Zyklus nach drei Jahren ist man gerade noch unter den Top 500. Das geht schnell, und das macht die Arbeit auch abwechslungsreich. Einerseits sind es Alltagsprobleme, etwa Telefoniedienst oder Datalabs; auf der anderen Seite geht es um Hochleistungsrechner, die ganz selektiv Forscher*innen bei sehr ­spezialisierter Arbeit unterstützen. Das hat dann auch mit Digitalisierung nichts mehr zu tun, da geht es um reine Rechenpower für anspruchsvollste Aufgaben.

Die mittlere Layer zwischen den Forschern und der reinen IT wird immer wichtiger, der Zugang zu High-End-IT muss niederschwelliger werden.

Bernd Logar

Sie spielen auch eine ­wichtige Rolle beim Projekt Aqunet (Austrian Quantum Fiber Network, Anm.). Worum geht es dabei?

[B. L.]: Wir wollten gemeinsam mit Thorsten Schumm vom Atominstitut bei einem Projekt mit der FFG (Forschungsförderungsgesellschaft, Anm.) etwas einreichen, das in Österreich einzigartig ist: Wir wollten das bereits bestehende akademische Datennetz Aconet hernehmen, aber eine optische Datenübertragung ermöglichen. Damit wollen wir dann in Richtung Quantenkryptografie und Quantencomputer gehen. Das soll dann nicht nur exemplarisch und einmalig funktionieren, sondern dem Forschungsstandort Österreich über Jahre zur Verfügung stehen. Die Herausforderung ist hier, dass die Signale, wenn sie über größere Strecken geschickt werden, unterwegs verstärkt werden müssen. Das muss geschehen, damit sie nicht verfälscht werden. Bei klassischer Datenübertragung gibt es dieses Problem in dieser Form nicht.

Sie sind ebenfalls beim ­Iarai-Projekt (Institute of Advanced Research in Artificial Intelligence, Anm.) involviert. Ist auch hier Ihre Rolle die des Enablers?

[B. L.]: Ganz genau. Die Forscher*innen wollen sehr stark an der Maschine bzw. am Tuning der Maschine dran sein. Es ist eine sehr starke Infrastrukturpartnerschaft. Das Iarai nutzt unsere Infrastruktur, sie lassen Rechner bei uns laufen, wir betreiben sie gemeinsam. Die Forschung ist Iarai-Forschung, unser Teil ist die Infrastruktur, da bieten wir unser Know-how. Die mittlere Layer zwischen den Forscher*innen und der reinen IT wird immer wichtiger, der Zugang zu High-End-IT muss niederschwelliger werden.

Bernd Logar
studierte Technische Physik an der TU Graz. Nach mehreren Stationen in der Privat­wirtschaft, unter anderem bei SAP und CSC, ist er seit 2017 Chief Information Officer der TU, seit 2019 auch Head des Digital Office.

Noch mal zu virtuellem Unterricht und hybriden Lösungen: Werden ­Hörsäle eines Tages ganz verschwinden?

[B. L.]: Das glaube ich nicht. Eine Uni ist ja ein Ort, an dem man sich trifft, im Sinne eines Diskurses. Das wird und soll so bleiben. Für uns ist es jetzt bei ausschließlichem Fernunterricht eine Herausforderung, die Studierenden, die den normalen Universitätsbetrieb noch nicht kennen, im ersten und zweiten Semester nicht zu verlieren. Wie bereitet man sich auf eine Prüfung vor, wenn alles über den Zoom-Chat läuft? Mit wem? Wie bildet man zum Beispiel eine Lerngruppe – all das sind Herausforderungen. Früher hat man sich beim Kaffeeautomaten getroffen und solche Themen besprochen, doch wie geschieht das jetzt und in Zukunft? Das sind elementare Probleme, die man rein digital nicht lösen wird. Daher glaube ich, dass der Campus-­Gedanke bleibt, er geht nur in die Breite und wird vielleicht zu einem Smart Campus. Wichtig ist, diesen so zu gestalten und zu bespielen, dass niemand auf der Strecke bleibt. Wenn wir die Studierenden verlieren, wird es finster an der Universität. Nur remote wird nicht funktionieren, glaube ich. Aber wirklich gute Lösungen brauchen Jahre in der Umsetzung.

Ist Ihnen als IT- und Digital-Experte eigentlich das Buch oder der Reader lieber?

[B. L.]: Das ist situationselastisch. Zuhause lese ich eigentlich ausschließlich Bücher, auf Reisen ist der Reader aber unschlagbar.

Also auch hier eine hybride Lösung?

[B. L.]: Ganz genau. Das Beste aus beiden Welten.