Springer Nature

EINE GUTE ZEIT FÜR DIE WISSENSCHAFT

Wissenschaft erklärt, wie die Welt funktioniert, doch Unsicherheit und Misstrauen wachsen – Forschung muss deshalb transparenter kommunizieren als jemals zuvor. Magdalena Skipper zeichnet als Chefredakteurin seit 2018 für die renommierteste Wissenschaftszeitschrift weltweit verantwortlich: Nature. Als Teil der Wissenschaftsgemeinschaft ist Skipper nah dran an Forschungsergebnissen und den Methoden, die dazu führten. Nur die wichtigsten Manuskripte schaffen es durch die Beurteilung von Redaktion und Peers und werden anschließend veröffentlicht.
Das gelingt ungefähr acht Prozent der Einreichungen – danach gilt: Anerkennung gesichert, Zitate garantiert.

Text: tuw.media-Redaktion Foto: Springer Nature

Seit 17 Jahren arbeitet die promovierte Genetikerin Magdalena Skipper in der Nature-Gruppe. Ihre Stationen: Chefredakteurin von Nature Communications und Nature Reviews Genetics sowie Mitherausgeberin von Nature Life Sciences. Die gebürtige Polin brennt für die Forschung, und auch für die dahinter stehenden Wissenschaftler*innen. Sie erinnert sich gerne daran, wie sie vor ein paar Jahren als Manuskriptlektorin das Durchlesen mancher neuen Einreichungen kaum erwarten konnte und dachte, „wie wunderschön und unglaublich“ diese doch seien. Komplexe Inhalte und bahnbrechende Feststellungen wissenschaftlicher Publikationen gehören also schon lange zu Skippers Tagesgeschäft. Trotzdem hält die 52-Jährige am Fundament fest, wenn es um ihren ganz persönlichen Zugang zum Thema Wissenschaft geht: „Ich denke an Wissenschaft als großartiges Werkzeug und als System, das uns die Welt um uns herum erklärt; ein Werkzeug, das uns hilft, Antworten zu finden, uns aber auch immer neue Fragen zeigt, eines, das unser Verständnis davon schärft, wie wir Teil dieser Welt sind und welche Rolle wir dabei spielen.“

Raus aus dem Elfenbeinturm

In den letzten Jahren hat sich mit der Covid-19-Pandemie die Rolle der Wissenschaft nachhaltig verändert. Forschung darf nicht mehr nur hinter verschlossenen ­Labortüren passieren. Sie ist nicht mehr nur für einen Kreis von Hochgebildeten wichtig, sondern bei den Menschen angekommen. Internet und die sozialen Medien bieten ständig Informationen aus der Wissenschaft – so wird der Einfluss von Forschung auf das Leben jedes Individuums deutlich. Skipper sieht diese neue Unmittelbarkeit als Chance für die Wissenschaft, näher am Alltäglichen und somit näher am Einzelnen zu sein: „Ich finde es wichtig zu sehen, dass Wissenschaft endlich die Möglichkeit hat, aus dem Elfenbeinturm herauszukommen, heraus aus dieser Unzugänglichkeit eines abgelegenen Orts, der nichts mit der Realität zu tun hat; um den Dialog mit den Menschen zu suchen und so die Gesellschaft in Entscheidungen einzubinden – etwa, in welche Richtung geforscht und wie man sich welchen Fragen widmet. Denkt man das weiter, sieht man, dass eine solche Einbindung der Gesellschaft zu vielfältigeren Fragestellungen führt und dadurch auch relevanter für mehr Menschen wird.“

Bedenkt man die Bekanntheit von Akteuren in der ­medizinischen Forschung – etwa von Christian Drosten, Direktor am Institut für Virologie der Berliner Charité, oder Ian Lipkin von der Columbia University – oder die Beliebtheit von Science-Influencern wie Mai Thi Nguyen-Kim, wird klar, dass sich nicht nur die Wissenschaft selbst, sondern auch die Rolle der Menschen geändert hat. Skipper dazu:„Es gibt einen enormen Bedarf an wissenschaftlicher Information in den Medien. Forschende müssen nicht nur direkt mit der Öffentlichkeit, sondern auch mit Politiker*innen und Entscheidungsträger*innen kommunizieren. Eine ebenso zentrale Rolle spielt es für Wissenschaftler*innen, ihre Forschung und die entsprechenden Ergebnisse zu kommunizieren. Dabei ist es wichtig, auch zu erklären, woran geforscht wird, zu welchen Ergebnissen man gekommen ist – und wie das vonstattengegangen ist.“

Skipper ist überzeugt, dass man der Skepsis gegenüber der Wissenschaft mit Transparenz und Partizipation begegnen muss. „Wann hegen wir Misstrauen? Wenn wir Dinge nicht verstehen und unheimlich finden, von denen andere anstelle von uns profitieren. Umso früher man in einen Prozess eingebunden ist, desto wahrscheinlicher können eventuelle Probleme aufgelöst werden“, sagt sie. Und auch das sieht sie als Chance: „Meiner Meinung nach ist jetzt gerade eine gute Zeit für die Wissenschaft an sich. Sie kann sich transparenter und offener präsentierten und Arbeitsweisen offenlegen.“

Magdalena Skipper

Die Wissenschaftszeitschrift Nature erscheint wöchentlich, die erste Ausgabe wurde 1869 ­herausgegeben. Mit Fokus auf Naturwissenschaft gilt Nature als eine der weltweit meistzitierten Fachzeitschriften: Der Zwei-Jahre-­Impact-Factor (dieser Wert gibt Auskunft darüber, wie oft Artikel durchschnittlich in anderen wissenschaftlichen Publikationen zitiert werden) beträgt 49.962. Magdalena Skipper ist die erste Frau an der Spitze von Nature.

 

Offen und über Disziplinen hinweg

Als Verfechterin des Konzepts der „Open Science“ sieht Skipper diesen Bedarf auch innerhalb der Wissenschaftscommunity. Dabei gehe es darum, wissenschaftliche Erkenntnisse und Daten mit den Kolleg*innen wie auch mit der Öffentlichkeit zu teilen. Als zukunftsweisend betrachtet sie die Forschung über die Grenzen einzelner Disziplinen hinweg: „Manche Forscher fühlen sich nicht mehr nur einem Fach zugehörig.“

Gerade zu neuen Sars-CoV2-Varianten und der Impfung jagt derzeit eine wissenschaftliche Erkenntnis die nächste, die Öffentlichkeit erlebt Forschungsfortschritt und dessen Anwendung in Echtzeit. Zu verstehen, dass Wissenschaft auch Veränderung unterliegt, ist Skipper dabei ein besonderes Anliegen: „Außerhalb von Forscher*innenkreisen gibt es die Auffassung, hervorgebracht durch die Medien, dass Forschung unabänderlich und unfehlbar sei und die geänderte Meinung eines Forschenden mit dem Versagen des Gesamtsystems gleichzusetzen ist. Das stimmt nicht, weil Wissenschaftler*innen natürlich ihre Meinung ändern, wenn neue Fakten ans Licht kommen. Es ist also sehr wertvoll, dass die breite Öffentlichkeit die Möglichkeit hat, besser zu verstehen, wie Wissenschaft funktioniert und was es heißt, zu forschen – und dass Forschende, um ihren Job gut zu machen, gegenüber neuen Erkenntnissen aufgeschlossen bleiben und ihre Meinung anpassen.“

Die Nature-Chefredakteurin weiter: „Zu den schönsten Seiten der Wissenschaft gehört es, nie zu wissen, wann oder woher die nächste aufregende Entdeckung kommt.“ Tipps oder ein Rezept, wie man sich seiner zukünftigen Nature-Publikation am besten nähert, gibt Skipper nicht – außer „Do excellent science and research!“

 

Text: Elisabeth Kling