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Ehre, wem ehre gebührt

Preise und Auszeichnungen gibt es viele in der Welt der Wissenschaft. Oft sind sie nach berühmten Persönlichkeiten aus der Wissenschaftsgeschichte benannt, deren Ruhm dem Preis zusätzliches Gewicht verleihen soll. Für die Karriere der Ausgezeichneten kann ein hoch dotierter Preis von
großer Bedeutung sein – oft werden durch Förderpreise auch Forschungsprojekte ermöglicht, die es sonst gar nicht geben würde.

Text: tuw.media-Redaktion Foto: unsplash

Eine Auszeichnung sitzt wie ein unsichtbarer Lorbeerkranz auf den Ausgezeichneten, durch sie heben diese sich deutlich aus der Masse hervor. Meist sind die Auszeichnungen den Geehrten willkommen, bringen sie doch, mit Pierre Bourdieu gesprochen, symbolisches und mitunter auch beträchtliches ökonomisches Kapital.

Manchmal aber weisen Ausgezeichnete ihre Preise zurück und erregen damit noch größeres Aufsehen: Jean-Paul Sartre etwa tat 1964 das Unerhörte und lehnte den Nobelpreis für Literatur ab. In einem Interview mit der schwedischen Presse sagte er, ein Schriftsteller solle sich weigern, „sich in eine Institution verwandeln zu lassen, selbst wenn es – wie hier – unter den ehrenvollsten Bedingungen geschieht“. So oder so: Preise und Auszeichnungen erzeugen Aufmerksamkeit.

„Der größte Nutzen für die Menschheit“ – der Nobelpreis
Er ist DER Preis; auf ihn blickt die ganze Welt, wenn Jahr für Jahr während der Nobel­woche die Nobelpreise verliehen werden. Sie bringen den Preisträger*innen enormes symbolisches wie ökonomisches Kapital, genauer eine Summe von etwa 920.000 € (im Jahr 2022 – der Betrag ändert sich von Jahr zu Jahr).

Der Nobelpreis spiegelt die Interessen und den breiten Horizont seines Namensgebers und Stifters wider, denn er wird in den Sparten Physik, Chemie, Physiologie oder Medizin, Literatur und Frieden (seit 1969 auch Wirtschaftswissenschaften) vergeben. Er soll, nach dem Willen seines Stifters, jenen „zugeteilt werden, die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen gebracht haben“. Das Preisgeld besteht aus den Zinsen, die das Vermögen Nobels abwirft, und es ist an keine Bedingungen geknüpft.

Der Stifter dieses Preises, Alfred Nobel (21.10.1833–10.12.1896), wurde in eine reiche Familie geboren. Sein Vater Immanuel verdiente sein Vermögen durch die Konstruktion von Maschinen für die Rüstungsindus­trie; Sohn Alfred widmete sich dem Studium der Naturwissenschaften, besonders von Chemie und Physik, aber auch der englischen Literatur. Auf Reisen lernte er den Erfinder des Nitroglyzerins kennen und begann, selbst mit dem gefährlichen und explosiven Stoff zu experimentieren – oft mit tragischem Ausgang. Aber daraus entstand seine wohl bekannteste Erfindung: Dynamit.

Dieses fand nicht nur im Berg- und Straßenbau Verwendung, sondern kam auch in Kriegen zum Einsatz, ebenso wie seine Weiter­entwicklungen des Schießpulvers. Die Geschichten über die Entstehung der Nobelpreis-Stiftung sind unterschiedlich, fest steht jedoch: Als Nobels Bruder Ludvig 1888 starb, nahm eine französische Zeitung fälschlicherweise an, dass Alfred verstorben war, und veröffentlichte einen Nachruf mit dem Titel „Le marchand de la mort est mort“ („Der Kaufmann des Todes ist tot“). Beschrieben wurde darin, dass Nobel ein Mittel gefunden habe, mehr Menschen schneller als jemals zuvor zu töten. Dieser Nachruf zu Lebzeiten soll Nobel sehr beschäftigt und dazu veranlasst haben, sich mit der Frage nach seiner Wirkung auf die Nachwelt auseinanderzusetzen. So entschied er, dass seine Erben nur einen Bruchteil seines Vermögens erhalten sollen, der Löwenanteil ging in die Nobelpreis-Stiftung, und zu Nobels fünftem Todestag wurde der Preis erstmals verliehen. So geht paradoxerweise ein Preis, der Errungenschaften zum Nutzen der Menschheit auszeichnet, auf Einnahmen aus dem Kriegsgeschäft zurück.

Heute steht der Name des Dynamit-Erfinders tatsächlich mehr für die Nobelpreise als für die Erfindung explosiver Stoffe. Immer wieder bestehen aber auch Zweifel an der Leistung für die Menschheit der ausgezeichneten Personen (wie auch bei Nobels Erfindungen) – Jassir Arafat oder Henry Kissinger etwa sind solche Beispiele.

2022 wurden übrigens der österreichische Physiker Anton Zeilinger und seine Kollegen John Clauser und Alain Aspect für ihre bahnbrechenden Experimente mit verschränkten Quantenzuständen mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Zeilinger betonte in Interviews, wie wichtig es für ihn ist, „dass Forschung nicht allein aus dem Nutzen definiert werden kann, etwa dass es dadurch einmal einen besseren Wasserkocher oder was auch immer geben wird. Bei wirklicher Spitzenforschung ist das anders: Wir alle drei waren davon überzeugt, dass das nie für irgendetwas gut sein wird“, so Zeilinger im Interview mit der Tageszeitung Der Standard.

Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.

Ludwig Wittgenstein

„Der „österreichische Nobelpreis“: Der Wittgensteinpreis
Wittgenstein (26.04.1889–29.04.1951) ist einer der bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Auch er entstammte einer reichen (österreichischen) Industriellenfamilie und hatte die Möglichkeit, seinen vielfältigen Inte­ressen zu folgen: Physik, Maschinenbau, Flugtechnik, Mathematik, Architektur
und schließlich Philosophie. Auf sein Erbe verzichtete der Philosoph – wenngleich nicht im Stil der heutigen „Tax me now“-Bewegung, sondern zugunsten seiner Geschwister.

Der nach dem Philosophen benannte Wittgenstein-Preis ist mit 1,5 Mio. € der höchstdotierte Wissenschaftspreis der Republik Österreich und wird daher auch in der Tat als „österreichischer Nobelpreis“ bezeichnet. Er wird vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) ausgeschrieben und seit 1996 für alle Disziplinen der Wissenschaft vergeben. Die Verwendung des Preisgelds ist an Investitionen in weitere Forschungstätigkeiten gebunden.

Ulrike Diebold vom Institut für Angewandte Physik war die letzte TUW-Forscherin, die den Wittgenstein-Preis erhielt (2013; TUW-Preisträger vor ihr waren Hannes-Jörg Schmiedmayer, Ferenc Krausz, Georg Gottlob und Erich Gornik). Die vielfach ausgezeichnete Diebold erhielt im Jahr 2020 einen ERC-Grant (auch 2012), den prestigeträchtigen und hoch dotierten Preis des European Research Council.

ERC-Grants – die Preise des European Research Council
Nobelpreise und Wittgenstein-Preise sind dazu da, exzellente Persönlichkeiten für herausragende Leistungen zu ehren. Es gibt aber auch Preise, die einen anderen Ansatz verfolgen und eher darauf abzielen, neue herausragende Leistungen zu ermöglichen. Dazu zählen die hoch dotierten ERC-Grants des European Research Council.

Um einen dieser Grants einzuwerben, muss man bewiesen haben, dass man Großes leisten kann. Doch das Fördergeld der ERC-Grants ist nicht als Belohnung für große Taten gedacht, es soll ein ganz konkretes neues Forschungsprojekt ermöglichen. Es ist also Auszeichnung und Forschungsförderung in einem.

Der ERC wurde 2007 von der Europäischen Union gegründet und fördert exzellente Grundlagenforschung von kreativen Forscher*innen aller Nationalitäten und jedes Alters, die Projekte in ganz Europa durchführen – ein genuin europäisches Unterfangen. Der ERC bietet vier zentrale Förderprogramme: Starting Grants, Consolidator Grants, Advanced Grants und Synergy Grants. Exzellente, bahnbrechende und grundlagenorientierte Forschungsprojekte durchzuführen gilt als einziges Förderkriterium der ERC-Grants. Ermutigt wird explizit „Frontier Research“, also Forschung an den Grenzen des Wissens. Dies soll ein neues Verständnis der Grundlagenforschung darstellen – an deren Bedeutung uns auch Anton Zeilinger anlässlich der Verleihung des Nobelpreises erinnert hat. Das Gesamtbudget des ERC ist beachtlich: Von 2021 bis 2027 beträgt es mehr als 16 Mrd. €.

2022 wurden einige TUW-Forscher*innen als exzellent und „ERC-Grantwürdig“ bewertet: Silke Bühler-Paschen, Tibor Grasser, Marcus Huber, Hannes Mikula, Michael Pinsker und Christoph Rameshan. Sie zeigen in ihren Bereichen wiederholt überdurchschnittliche Leistungen – sei es, wenn es um die Entdeckung neuer Quantenzustände in Festkörpern geht (Bühler-Paschen), um neuartige Therapien in der Krebstherapie (Mikula) oder in anderen faszinierenden Gebieten zum Wohle der Menschheit. Und das hätte sicher auch Alfred Nobel gefallen.

Text: Edith Wildmann