David Višnjić

DORDAS DEALMAKER

1976 gegründet, hat sich Dorda als eine der größten Wirtschaftskanzleien Österreichs etabliert. Ihr Ruf im M&A-Bereich reicht aber über die Landesgrenzen hinaus: Kürzlich wurde die Kanzlei zur „Austrian Law Firm Of The Year“ gekürt. Der Grund: die Betreuung der tschechischen Sazka Group in der Casinos-Austria-Übernahme. Den Deal wickelte Dorda-Partner Jürgen Kittel federführend ab – und konnte auf die Unterstützung von Anwalt Lukas Herrmann zählen. Doch wie ticken Dordas Dealmaker?

Text: Klaus Fiala Foto: David Višnjić

Nach fast fünf Jahren, zahlreichen Höhen und Tiefen, mehreren Share Purchase Agreements (SPA; Anteilskaufvertrag) und Shareholders’ Agreements (Syndikatsvertrag) mit unterschiedlichen Eigentümern sowie der Beilegung aller aufgekommenen Streitigkeiten passierte im Dezember 2019 etwas, womit die meisten nicht mehr gerechnet hätten: Die tschechische Sazka Group kaufte der österreichischen Novomatic AG ihre Anteile an den Casinos Austria ab. Mit der Übernahme der 17,19 % großen Beteiligung stockte Sazka auf 55 % und damit die Mehrheit im Unternehmen auf – und übernahm so die Kontrolle über den österreichischen Glücksspielkonzern.

Jürgen Kittel, Partner der österreichischen Wirtschaftskanzlei Dorda, der die tschechische Seite federführend vertrat, bezeichnet die Übernahme auch wegen ihrer Dauer als „schon einzigartig“. Es war jedoch vor allem die politische Interessenlage – die Casinos Austria befinden sich zu 33 % in Besitz der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) und waren Gegenstand zahlreicher politischer Affären der letzten Jahre – sowie die öffentliche und mediale Aufmerksamkeit, die die Transaktion so außergewöhnlich machten.

„Ich habe viele Tage und Nächte nur diesem Deal gewidmet“, sagt Kittel heute. Der Partner hat sich bereits vor der Transaktion als Experte für Mergers & Acquisitions (M&A) einen Namen gemacht. Der Sazka-Deal ließ die Aufmerksamkeit für Dorda auch über die Landesgrenzen hinweg weiter wachsen. Denn kürzlich wurde das Unternehmen von der International Financial Law Review (IFLR) zur „Austrian Law Firm Of The Year“ gekürt. In der Begründung geht der zuständige Redakteur James Wilson ganz konkret auf den von Kittel – unter Unterstützung seines Anwalts­kollegen Lukas Herrmann – verhandelten Deal ein: „Der Deal gilt als eine der längsten Übernahmeschlachten in Österreichs M&A-­Geschichte. Das Team verhandelte zahlreiche Share Purchase Agreements und navigierte die Transaktion durch mehrere Konflikte unter den Aktionären. Er (der Deal) wird auch in Zukunft als Referenz für M&A in Österreich gelten“, schreibt IFLR-­Redakteur Wilson.

„In dieser Branche ist nichts planbar. Jeder Deal hat seine Hürden und Tücken.“

Jürgen Kittel

Dorda ist also nicht erst seit gestern für seine Expertise in M&A- und Kapitalmarkttransaktionen bekannt. Und doch sendet die Auszeichnung durch IFLR ein Signal an die Branche: Große, herausfordernde Transaktionen sind hier keine Unbekannten. Doch Zeit, um sich auf den Lorbeeren auszuruhen, haben Kittel und Herrmann nicht. Kittel: „Nach jedem Deal werden die Uhren auf null gestellt und es geht wieder von vorne los.“ Auch jetzt ist der Markt in Bewegung, insbesondere Corona mischt die Karten gerade wieder neu. Herrmann: „Corona hat Auswirkungen auf alle Wirtschaftsbereiche, natürlich auch auf den M&A-Markt.“ Und Kittel ergänzt: „Strategische Investoren sehen: Die Opportunitäten sind da. Und sie beobachten den Markt gerade sehr genau.“

Am 24. September 1976 wurde Christian Dorda als Rechtsanwalt angelobt. Der Weg in eine renommierte Kanzlei interessierte den damals 28-Jährigen offensichtlich kaum, denn noch am gleichen Tag gründete er seine eigene Kanzlei. „Schon als Rechtsanwaltsanwärter konnte ich mir ein Bild der nationalen wie auch internationalen Rechtsanwalts­landschaft machen. Die Gründung einer eigenen ,Law Firm‘ war dann für mich der logische nächste Schritt. Ich hatte immer die Vision, dass es in einer Kanzlei ganz verschiedene Menschen geben soll und die wechselseitige Toleranz die Gemeinschaft bereichert und vielseitig macht. Weitere Erfolgsfaktoren sind natürlich juristische Qualität und Professionalität, klare Zielsetzungen und Strategien, die ständig kontrolliert werden, sowie eine große Portion Glück.“ Der Anwalt, der fließend Deutsch, Englisch und Französisch spricht, setzte schon früh auf internationale Kontakte. 1983 kam dann Walter Brugger an Bord, 1988 folgte Theresa Jordis. Die Kanzlei wuchs unter dem Namen Dorda Brugger Jordis zu einer der größten Österreichs. 2017 ging es namentlich wieder zurück zum Ursprung, seither firmiert man wieder unter dem Namen des Gründers. Heute arbeiten für Dorda über 150 Mitarbeiter, davon 22 Partner und 24 Rechtsanwälte. Damit zählt man (nicht nur) größenmäßig zu den Top-Kanzleien Österreichs.

Die Expertise des Gründers fokussierte sich früh auf Litigation & Arbitration sowie M&A. Bis heute ist das Haus vor allem für diese Bereiche bekannt. Christian Dorda selbst ist bis heute als internationaler Schiedsrichter tätig, die Betreuung von Deals steckt tief in der DNA der Kanzlei. „Wir sind mit M&A in gewisser Weise groß geworden“, sagt Kittel, der seit 2009 Partner ist. Bereits vor den Casinos Austria hat er einige namhafte Transaktionen abgewickelt, darunter etwa die Beratung der französischen Großbank BPCE beim Verkauf ihrer Beteiligung an der Volksbank International an die russische Sberbank; oder – gemeinsam mit Herrmann – der deutschen ESG beim Einstieg in Radar Services.

Jürgen Kittel
studierte Rechtswissenschaften in Wien und New York; seit 2006 arbeitet er für Dorda, seit 2009 ist er Partner.

Lukas Herrmann
absolvierte sein Jus-Studium in Wien und Bologna, er ist seit 2017 für Dorda tätig.

Trotz erhöhter Dynamik bleibt der M&A-Markt in Österreich jedoch überschaubar. 329 Deals gingen laut dem Beratungsunternehmen Deloitte 2019 über die Bühne, 2020 waren es – auch aufgrund der Coronakrise – nur noch 280. Dabei ist die Anzahl für Dorda gar nicht so relevant: Einerseits werde man als eine der führenden Kanzleien früh für Transaktionen angefragt. Zudem sei die Marktgröße für Dorda sogar ein Vorteil, wie Herrmann betont: „Selbst wirklich große internationale Anwaltskanzleien haben keine eigene Niederlassung in Österreich. Daher werden wir bei internationalen Transaktionen oft als ‚Local Counsel‘ mandatiert.“

Doch nicht nur die Zahl der Transaktionen wurde durch Corona beeinflusst, auch sonst hinterlässt die Pandemie spürbare Auswirkungen auf dem Markt. Die Übernahmen seien bereits in den letzten Jahren schneller und pointierter geworden. Enorm aufwendige Due-Diligence-Prüfungen würden fokussierten, pointierten Arbeiten weichen. Das verschärfe sich nun, denn in wirtschaftlich schwierigen Zeiten häufen sich feindliche Übernahmen. „Bei Hostile Takeovers gilt es, gut vorbereitet zu sein, um dann im richtigen Moment zuschlagen zu können. Da gibt es oft gar keine Möglichkeit für eine Due Diligence“, so Kittel.

Dabei sei es wichtig, sich nicht auf juristische Spitzfindigkeiten zu fokussieren, sondern das wirtschaftliche Interesse des Klienten zuerst zu beachten. „Es gibt gewisse juristische Steckenpferde, die manche Anwälte gerne reiten, die aber keinerlei wirtschaftliche Bedeutung haben. Das kann man sich nicht leisten, wenn man in der Oberliga spielen will.“

Neben den großen Corporate-Übernahmen will Dorda – und da insbesondere Herrmann – aber auch die Start-up-Szene sowie expandierende Unternehmen beraten. Unter anderem konnte man bereits das Wiener Start-up Influence Vision (die Gründer Florian Bösenkopf und Branko Markovic waren auf der Forbes „Under 30 DACH“-Liste 2019 vertreten) beim Einstieg der Styria Media Group unterstützen. Denn wenn Jungunternehmen händeringend auf der Suche nach der rettenden Finanzierung sind, wird bei der rechtlichen Beratung oft gespart „Bei Start-ups sind die Kosten immer ein Thema. Aber wir wollen auch da Lösungen finden, denn gerade am Anfang ist das aus unserer Sicht gut investiertes Geld.“

Die von der Szene oft geforderten Erleichterungen, etwa durch eine Neuauflage der GmbH Light als Austrian Limited oder bei Werkzeugen zur Mitarbeiterbeteiligung, sieht Herrmann großteils positiv. Doch er warnt auch, die rechtlichen Rahmenbedingungen allzu locker zu nehmen: „Wir sehen, trotz aller Euphorie um niedrigere Hürden beim Gründen, dass vermeintlich Unnötiges wie ein maßgeschneiderter Gesellschafts­vertrag viel Ärger ersparen kann.“

Egal ob Siemens und Alstom, Facebook und Whatsapp oder Sazka und Casinos Austria, Zusammenschlüsse haben zunehmend auch eine politische Komponente. Um ordentlichen Wettbewerb gewährleisten zu können, setzen Regierungen auf Regulierung. Das hat auch Auswirkungen auf die Arbeit der Anwälte. Herrmann: „Diverse regulatorische Genehmigungen dauern oft Wochen oder Monate. Das neue Investitionsschutzgesetz ist für uns natürlich schon auch ein Thema.“ Transaktionen, die schnell über die Bühne gehen müssen, werden so erschwert. „Signing (Vertragsabschluss, Anm.) und Closing (wirtschaftlicher Übergang, Anm.) rücken somit weiter auseinander – erst wenn alle regulatorischen Bedingungen erfüllt sind, wird der Deal auch wirtschaftlich abgeschlossen.“

Kittel will aber nicht bewerten, ob die Politik gute Arbeit leistet. „Das sind für uns in der täglichen Praxis äußerst relevante Themen. Es ist aber nicht unsere Aufgabe, das zu bewerten. Wir müssen einfach wissen, was es zu beachten gilt.“ Als „Querschnittsmaterie“, wie Kittel sagt, muss ein guter M&A-Anwalt aber mehr können, als rechtliche und regulatorische Feinheiten zu kennen: „Ein gutes Auftreten, sichere Verhandlungsführung und ein wirtschaftliches Verständnis werden vorausgesetzt. Essenziell ist auch, dass man zwar durchsetzungsfähig, aber trotzdem konsensorientiert ist und immer den Abschluss des Deals vor Augen hat.“

Er selbst kam auf den Geschmack, als er nach dem Studium ein Jahr in New York verbrachte – quasi der Hauptstadt der großen Deals. Nach Abschluss seines LL.M. (Master of Laws) kehrte er nach Wien zurück und heuerte zuerst als Rechtsanwaltsanwärter bei Schönherr an. Seit 2006 ist er nun bei Dorda aktiv. Herrmann beschreibt seine Reise in die M&A-Tätigkeit indes als „absoluten Zufall. Ich wollte eigentlich im Bereich öffentliches Wirtschaftsrecht arbeiten. Jürgen (Kittel, Anm.) hat mich allerdings im Vorstellungsgespräch von M&A überzeugt – ich habe den Schritt nicht bereut.“

Für die Zukunft sind Kittel und Herrmann jedenfalls gewappnet. An Arbeit mangelt es zwar keinesfalls, gleichzeitig weiß Kittel aber auch, dass einige Marktakteure auf der Suche nach Übernahmeobjekten sind. Absehen, was kommt, könne man aber nicht: „In dieser Branche ist nichts planbar. Jeder Deal hat seine Hürden und Tücken“, so Kittel. Und fügt grinsend hinzu: „Nach der Casinos-Transaktion kann uns aber so schnell nichts mehr schocken.“

Diese Advoice erschien in der Ausgabe 1–21 „Mobilität“.