DIE TRÄGSTE KRAFT IST DIE POLITIK

Wenn Klima-Aktivismus in Österreich ein Gesicht hätte, dann wäre es ihres. Katharina Rogenhofer holte 2018 die Fridays For Future nach Österreich, startete 2019 das Klimavolksbegehren und veröffentlichte letztes Jahr ein Buch über die Klimakrise. Wir haben die 28-Jährige zum Gespräch eingeladen.

Text: Sophie Ströbitzer

Was beschäftigt Sie gerade, Frau Rogenhofer?
Katharina Rogenhofer: Ich beschäftige mich momentan, wahrscheinlich wie die meisten, mit dem Ukraine-Krieg. Im Kontext Klima bedeutet das jetzt gerade auch Gas-Ausstieg. Mit unseren aktuellen Öl- und Gasimporten finanzieren wir ja genau solche Regime wie Russland. Wenn man sich die Geschichte der Menschheit ansieht, erkennt man, dass die meisten Konflikte Ressourcen-Kämpfe sind. Wenn wir weniger Konflikte um Ressourcen wie um Öl und Gas hätten, wäre es vielleicht auch geopolitisch eine friedlichere Zeit. Das ist die Vision, die ich momentan persönlich mit diesen leider schrecklichen Ereignisse verbinde.

Vorgestern wurde der jährliche IPCC-Bericht des Weltklimarats veröffentlicht. Ist es ein Rückschlag oder eine Motivation für Sie, wenn so ein Bericht erscheint? [K. R.]: Die IPCC-Berichte werden zwar genauer, aber Menschen, die sich mit der Wissenschaft schon länger beschäftigen, wissen das alles bereits. Uns ist klar, dass wir auf eine schlimme Zukunft zusteuern. Insofern sehe ich das eher als Bestätigung und als Motivation, weiterzumachen. Ich hoffe einfach, dass diese Alarmrufe der Wissenschaft auch irgendwann in der Politik ankommen. Wir haben in den letzten drei Jahren gesehen, wie konstant Versprechen abgegeben werden. Gerade in der geplanten CO2-Neutralität bis zum Jahr 2040/2050 überbieten sich gerne alle Länder gegenseitig, aber wirklich auf den Boden gebracht haben wir kaum noch was.

Gehen wir drei Jahre zurück. 2019 hat der Klimaaktivismus unter anderem auch durch Greta Thunberg so richtig Aufschwung bekommen und Sie haben mit einigen anderen die „Fridays For Future“-Bewegung nach Österreich geholt. Wie ist es dazu gekommen? [K. R.]: Ich habe Zoologie studiert und mir so schon früh angesehen, wie sich Lebensräume von Tieren durch die Klimakrise verschieben. Um daran etwas zu ändern, habe ich ein Praktikum bei der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen absolviert. 2018 war ich deshalb beim Klimagipfel in Polen und habe das erste Mal mit Menschen und Aktivistinnen aus dem globalen Süden geredet, die tatsächlich von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind.

Ich habe dann mit zwei Freunden beschlossen, dass wir den „Fridays For Future“-Protest nach Österreich holen und am 21. 12. 2018 haben wir die erste Demo am Heldenplatz in Wien angemeldet. Am 15. 3. 2019 gab es dann den ersten weltweiten Klimastreik. In Wien streikten damals 35.000 Leute.

Wie ging es danach weiter? [K. R.]: Dann kam 2019 das Klimavolksbegehren. Die Forderungen der Straße zur Politik zu tragen, war für mich der nächste logische Schritt. Uns allen war klar, dass die großen Hebel in der Politik liegen und es verbindliche Gesetze in den Bereichen Ausbau erneuerbarer Energien, Alternativen im Verkehr, Raumplanung und Heizsysteme braucht. Als Rahmen darüber haben wir ein verbindliches Klimaschutzgesetz Recht auf Klimaschutz in der Verfassung gefordert.

Wenn man sich die „Fridays For Future“-Aktivist*innen vorstellt, hat man meist Schüler*innen und Student*innen, die sich wahrscheinlich politisch eher links verorten und gerne Hafermilch trinken, vor Augen. Ist der Klimaaktivismus immer noch eine Bubble-Bewegung?

[K. R.]: Am Anfang war es tatsächlich eine Studierenden und Schüler*innen Bewegung. Jetzt gibt es verschiedene Allianzen, die weit diverser sind: Parents for Future, Grandparents For Future, CEOs for Future, und so weiter. Das sind unterschiedlich alte Menschen in verschiedenen Phasen ihres Lebens. Trotzdem haben wir natürlich viele Menschen noch nicht erreicht. Ich wäre vollkommen realitätsfremd zu sagen, dass wir schon überall angekommen sind. Deswegen ist es auch wichtig, dass die Arbeit der Klimabewegung so vielfältig ist. Manche suchen Anknüpfungspunkte bei Gewerkschaften, der Industrie, oder auch mit der Land- und Forstwirtschaft. Gerade diese Berufsgruppen spüren die Klimakrise schon jetzt am eigenen Leib.

Nach der steigenden medialen Aufmerksamkeit um den Klimawandel herum in 2019 kam die Pandemie, und jetzt haben wir einen Krieg in Europa. Ist ein Problem des Klimaaktivismus, dass es immer ein noch akuteres, aktuelleres Thema gibt? [K. R.]: Das ist auf jeden Fall ein Problem. Die Aufgabe des Aktivismus besteht ja darin, die öffentliche Aufmerksamkeit zu bekommen. Das ist FFF 2019 und teilweise auch 2020 gut gelungen. Dann hat Corona alles überdeckt – wobei gerade der Lobau-Protest und die weltweiten Klimastreiks wichtige Ausnahmen sind. Ich glaube, die große Herausforderung wird werden, diese Aufmerksamkeit wieder zu bekommen und sie konstruktiv zu nutzen.

Wie kommuniziert man, dass eine Krise, nur weil sie nicht von einem auf den anderen Tag vor der Tür steht, trotzdem akut ist? [K. R.]: Wir müssen kreativer im Erzählen von Geschichten werden, die die Dringlichkeit des Klimawandels klar machen. Die Tochter eines Landwirts hat in einem Video für uns erzählt, dass sie ihren Vater nur dreimal in ihrem Leben weinen sehen hat. Einmal, als seine Mutter starb, das zweite Mal, als er Krebs hatte und das dritte Mal, als er realisiert hat, dass sein Wald stirbt. Wenn man dann merkt, dass das ganze Lebenswerk aufgrund der Klimakrise zerfällt, dann zerstört das Menschenleben.

Es sind sowohl wir als Aktivist*innen als auch Medien gefordert, Menschen vor den Vorhang zu holen, um verschiedene Lebensrealitäten abzubilden. Ich glaube, Medien können noch viel kreativer in ihrer Berichterstattung werden – das Thema spielt überall eine Rolle.

Knapp 70 % der Österreicher*innen halten die Klimakrise für ein sehr ernstes Problem, 15 % glauben, dass der Klimawandel unser größtes Problem ist. Das Bewusstsein ist also da. Liegt die Trägheit in der Bekämpfung der Krise also hauptsächlich in der Politik oder ist der Druck aus der Bevölkerung noch nicht groß genug? [K. R.]: Beides. Die häufigste Frage, die mir auf Podiumsdiskussionen gestellt wird, ist „Was kann ich jetzt tun?“ Insofern ist sicher noch nicht alles Potenzial in der Bevölkerung ausgeschöpft. Die Politik hat bis jetzt allerdings wenig Initiative gezeigt. António Guterres hat bei der Veröffentlichung des IPCC-Berichts gesagt: „Die Verfehlungen von Climate-Leadership sind ein Verbrechen an der Menschheit.“ ch glaube auch, dass bis jetzt alle Politiker*innen in diesem Punkt ihren Aufgaben nicht gerecht wurden. Eine wirkliche Klimapolitik, die den Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, gerecht wird, schaut ganz anders aus.

Vergangenes Jahr veröffentlichte Katharina Rogenhofer gemeinsam mit Florian Schlederer das Buch „Ändert sich nichts, ändert sich alles – Warum wir jetzt für unseren Planeten kämpfen müssen“, in dem sie ihre Vision für eine angemessene und wirksame Klimapolitik präsentiert.

Nämlich wie? [K. R.]: Da gäbe es ein Verbot von Gasheizungen im Neubau, einen Plan, um auf erneuerbare Energien umzustellen, einen rigorosen Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln, ein Klimaschutzgesetz, das bei uns seit über 450 Tagen fehlt, begrünte Städte und die Renaturierung von Flüsse und Mooren, die CO2 binden und Wälder resistenter machen. Das sind Dinge, die wir jetzt machen müssten. Die trägste Kraft des Klimaschutz ist also die Politik. Also ist mein Rat, an alle Leute, die etwas beitragen wollen immer: steht auf und fordert Klimapolitik von euren politischen Vertretern. .

Ein wichtiges Thema des Klimaschutzes ist auch die Eigenverantwortung. Viele fragen sich: Wieso soll ich mich einschränken, wenn nicht einmal die großen Klimasünder belangt werden? Auf der anderen Seite steht der moralische Zeigefinger der Gesellschaft. Wie stehen Sie zu diesem Konflikt [K. R.]: Da gibt es zwei Ebenen. Einerseits gibt es immer jemanden, der schlimmer ist als man selbst. Natürlich hat es viel mehr Wirkung, wenn China seine Politik umstellt, als wenn Österreich das tut. Aber ich stelle mir das immer wie bei einer Rettungsgasse auf der Autobahn vor. Da muss zwar der Lastwagen nach rechts fahren, aber es muss auch der VW-Käfer auf die Seite fahren, damit die Rettung durchkommt. Wir müssen alle am gleichen Strang ziehen, um klimaneutral zu werden. Trotzdem haben manche eine größere Verantwortung als andere.

Was den individuellen Konsum betrifft, ist es wichtig, zu sehen, wo die Grenzen sind. Ich habe in England studiert und bin immer mit dem Zug gefahren. Das war mindestens drei bis viermal so teuer wie ein Flug und hat viel länger gedauert. Dadurch wird es zum Privileg, sich dafür zu entscheiden. Ich habe Nachhaltigkeit studiert und ich weiß selbst nicht, welche Tomaten im Supermarkt die beste ist - vermutlich müsste ich bei jeder eine Investigativrecherche bemühen. Das klimafreundliche Leben darf nicht das teurere und aufwendigere sein. Und hier ist die Politik gefragt. Sie muss sicherstellen, dass die die günstigste Tomate auch die mit dem kleinsten CO2-Fußabdruck ist.

Sie befassen sich nun seit über drei Jahren intensiv mit dem Klimawandel. Ich stelle es mir unglaublich energieraubend und manchmal auch frustrierend vor, sich so lange mit einem negativen Thema wie dem Klimawandel zu beschäftigen. Hat man das Thema nicht irgendwann auch einmal satt? [K. R.]: Ja! Ich glaube jeder hat diese Momente, in denen alles viel zu viel ist und man sich am Liebsten nicht mehr damit beschäftige will. Ich fühle ich mich manchmal ohnmächtig und wütend und frage mich, wie viel Aktivismus es noch braucht, damit die Politik etwas unternimmt aber auch, wie viel Aktivismus für mich noch gesund ist. Was mich dabei immer über Wasser hält, ist, dass man bei dem Thema nie alleine ist.

Die Streiks geben mir zum Beispiel viel Kraft, weil ich dort die Menschen sehe. Mir hat mal jemand gesagt: „Wenn man einen Ton, also quasi singend, ewig halten will, dann kann man das alleine nicht – man muss dazwischen atmen. Aber wenn man einen Chor hat, kann sich immer jemand zurücklehnen und durchatmen und der Ton wird trotzdem weiter gehalten.“ Genauso sehe ich meine Arbeit.

Wenn Sie jetzt in diesem Moment Bundeskanzlerin von Österreich wären, was wären denn die ersten drei Dinge, die sie umsetzen würden? [K. R.]: Ein verbindliches Klimaschutzgesetz, das vorgibt, wie wir bis 2040 klimaneutral werden, ein Verbot für Öl und Gasheizungen im Neubau und einen Plan zur Umstellung aller noch vorhandenen und ein gutes Raumplanungs- und Verkehrskonzept, das den öffentlichen Verkehr noch weiter ausbaut.

Vielen Dank für das Gespräch!

Katharina Rogenhofer
...ist Klimaaktivistin und holte 2018 die „Fridays For Future“-Klimaproteste mit Freund*innen nach Österreich. Seit 2019 ist sie Mitinitiatorin des Klima-Volksbegehrens in Österreich. Vergangenes Jahr veröffentlichte sie gemeinsam mit Florian Schlederer ein Buch über den Klimaschutz. 2021 wurde die 28-Jährige außerdem zur Österreicherin des Jahres in der Kategorie Klimainitiative gewählt.