Es ist in aller Munde: Bildung ist wichtig – niemand bestreitet das. Aber so offensichtlich ist es nicht, wenn man genauer darüber nachdenkt. Die derzeitigen Bildungssysteme legen nicht den Nachdruck auf kritisches Denken und aktive Informationsbeschaffung, da sie immer noch nach dem Industriemodell funktionieren. Ist Bildung also tatsächlich noch wesentlich – und was macht einen guten Lehrbetrieb aus?
„Bleiben Sie offen – aber nicht so offen, dass Ihnen
das Gehirn herausfällt!“, sagte der berühmte Physiker Richard Feynman halb im Scherz. Darum geht es in der Tat in der guten Lehre: herauszufinden, dass man alles und jedes infrage stellen soll, aber auch bereit ist, „gute“ wissenschaftliche Informationen zu akzeptieren und darüber nachzudenken, was sie einem über die großen Fragen sagen können. Das ist nicht so einfach, wie es sich anhört, denn kritisches Denken ist nicht das Kernstück des Bildungssystems, weder an der Universität noch auf voruniversitärer Ebene.
Sicherlich wird Intelligenz nicht durch Bildung geschaffen, aber sie kann entweder durch sie gefördert werden oder auch verloren gehen – ohne gute Bildung bleibt großes Potenzial auf der Strecke. „Einige der brillantesten und kreativsten Menschen, die ich kenne, waren nicht gut in der Schule. Viele von ihnen entdeckten erst, als sie die Schule verließen und sich von ihrer Ausbildung erholten, was sie wirklich konnten und wer sie wirklich waren“, schreibt Ken Robinson, britischer Autor, Speaker und internationaler Berater für Bildung (in seinem Buch „The Element: Wie das Finden der eigenen Leidenschaft alles verändert“).
Wenn das der Fall ist, warum sollte man dann studieren? Dazu gibt es eine Reihe von unterschiedlichen Positionen. Eine Möglichkeit, das Studium zu betrachten, besteht darin, die Universität als einen Ort des kompakten Wissens zu sehen, der so gestaltet ist, dass er die Studierenden motiviert, sie einbindet und einen Ort des Diskurses zwischen ihnen schafft. Man kann alles, was in der Universität gelehrt wird, allein lernen, muss es aber nicht – es würde mehr Zeit und mehr Willenskraft erfordern, die in diesem digitalen Zeitalter, in dem es unzählige Ablenkungen pro Sekunde gibt, rar sind. „Als mein Sohn James Hausaufgaben für die Schule machte, hatte er fünf oder sechs Fenster auf seinem Computer geöffnet, der Instant Messenger blinkte ununterbrochen, sein Handy klingelte ständig, und er lud Musik herunter und schaute über seine Schulter auf den Fernseher. Ich weiß nicht, ob er überhaupt Hausaufgaben gemacht hat, aber soweit ich sehen konnte, hat er ein Imperium aufgebaut, also war es mir eigentlich egal“, erzählt Robinson.
Ein weiteres Argument für das Studium dreht sich um das Wissensparadoxon: Man weiß nicht, was man nicht weiß. Ein Studium kann die Tür zu Einsichten und Fragen öffnen, von denen man nicht einmal wusste, dass sie existieren. Es handelt sich dabei um eine Art Schneeballeffekt: Je tiefer man sich in ein Thema einarbeitet, desto mehr Informationen werden dem Individuum zur Verfügung stehen, und die Möglichkeit einer emergenten Schaffung von Wissen bzw. Denkstrukturen wird sich bieten. Zumindest könnte dies der Fall sein, allerdings mit Vorbehalt: Das Bildungsangebot muss „richtig gestaltet werden“.
Die Universität ist also ein effizienter Kanal, um Wissen zu erwerben, aber er ist mit vielen Problemen verbunden, die die Hochschulen mit voruniversitären Bildungssystemen gemeinsam haben. Die meisten Bildungssysteme rund um den Globus sind nach dem sogenannten Industriemodell konzipiert; sie zielen darauf ab, Arbeiter*innen hervorzubringen, keine unabhängigen Denker und keine kritischen Köpfe. „Die öffentlichen Schulen wurden nicht nur im Interesse der Industrie geschaffen, sondern auch nach deren Vorbild. In vielerlei Hinsicht spiegeln sie die Fabrikkultur wider, die sie unterstützen sollten. Dies gilt insbesondere für die weiterführenden Schulen, wo die Schulsysteme auf den Grundsätzen des Fließbands und der effizienten Arbeitsteilung beruhen. Die Schulen unterteilen den Lehrplan in Fachbereiche: Manche Lehrer bringen den Schülern Mathematik bei, andere Geschichte. Sie gliedern den Tag in Standardzeiteinheiten, die durch das Läuten von Glocken gekennzeichnet sind, ähnlich wie in einer Fabrik, die den Beginn des Arbeitstags und das Ende der Pausen ankündigt. Die Schüler werden nach Alter gestaffelt unterrichtet, als ob das Wichtigste, was sie gemeinsam haben, ihr Herstellungsdatum wäre. Sie werden zu bestimmten Zeitpunkten standardisierten Tests unterzogen und miteinander verglichen, bevor sie auf den Markt geschickt werden. Mir ist klar, dass dies keine exakte Analogie ist und viele Feinheiten des Systems außer Acht lässt, aber es ist nahe genug dran“, so Robinson.
Viele dieser Systeme sind auf das Auswendiglernen von Fakten (die man in einer Sekunde im Internet finden kann) ausgerichtet. Interessanterweise – oder auch nicht – nimmt der Anteil des Auswendiglernens zu, wenn man in weniger entwickelte Länder geht. Aletta Grisay und Lars Mählck von der Unesco schreiben (in ihrem Bericht „The quality of education in developing countries: a review of some research studies and policy documents“): „Die Priorität, die dem formalen Auswendiglernen isolierter Fakten auf Kosten der kognitiven Fähigkeiten auf hohem Niveau eingeräumt wird, ist auch in diesem Fall der nationalen Prüfungen in Entwicklungsländern offensichtlich.“ Die Unesco untersuchte etwa 800 Aufgaben in der Stichprobe von Prüfungen der 3. Klasse in der Muttersprache und fand zu 92 % Grammatik-, Rechtschreib- und andere formale Übungen, 5 % Leseverständnistests, 3 % Tests zum schriftlichen Ausdruck – und 0 % Übungen zum mündlichen Verständnis.
Richard Feynman drückte seine Frustration über diese Art von Bildung aus, indem er schrieb: „Ich weiß nicht, was mit den Menschen los ist: Sie lernen nicht durch Verstehen, sie lernen auf andere Weise – auswendig“ (in „Surely You’re Joking, Mr. Feynman! Abenteuer eines kuriosen Charakters“, Anm.).
Wie Sir Ken Robinson feststellt, besitzen alle Kinder Talente. Das Problem ist nur, dass sich nicht alle Talente auf dieselbe Weise zeigen. Das Auswendiglernen von Fakten ist kein Weg, um dieses Talent zu fördern, ebenso wie die Vorlesungskultur, bei der sich der Lehrer/die Lehrerin hinstellt und anfängt, Informationen an die Schüler*innen weiterzugeben, die dann wiederum dasitzen und aufgefordert werden, schweigend zuzuhören und so still wie möglich zu bleiben. Anschließend sollen sie diese Informationen in Prüfungen wiedergeben. Dies führt zu einem Verlust an kreativem und kritischem Denken, was für die heutige Gesellschaft von immenser Bedeutung ist.
Die Universität hat einen Vorteil gegenüber der voruniversitären Ausbildung: Die Studierenden gehen freiwillig dorthin und studieren das, was sie lernen wollen. Gute Lehre besteht also darin, dieses Interesse aufrechtzuerhalten und die Studierenden stärker einzubeziehen, ohne dabei das große Ganze zu übersehen und sich in technischen Fragen zu verlieren. Die Studierenden brauchen keine Lehrer*innen, die alles wissen, sie selbst müssen nicht alles wissen; sie brauchen das Verstehen, sie brauchen Lehrer*innen, die ihr eigenes Wissen infrage stellen; sie brauchen das Lernen, dass Informationen aus Lehrbüchern nicht als feststehend zu betrachten sind (denn viele Lehrbücher enthalten veraltete wissenschaftliche Informationen).
„Wir müssen uns von einem industriellen Bildungsmodell verabschieden, einem Produktionsmodell, das auf Linearität und Konformität beruht und die Menschen in Gruppen einteilt. Wir müssen zu einem Modell übergehen, das mehr auf den Prinzipien der Landwirtschaft beruht. Wir müssen erkennen, dass menschliches Gedeihen kein mechanischer Prozess ist, sondern ein organischer Prozess. Und man kann das Ergebnis der menschlichen Entwicklung nicht vorhersagen. Alles, was man tun kann, ist, wie ein Landwirt die Bedingungen zu schaffen, unter denen sie zu gedeihen beginnen“, sagt Ken Robinson.
Best teaching Awards 2022
Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik
Projektass. Dipl.-Ing. Daniel Hauer, BSc
Fakultät für Maschinenwesen und Betriebswissenschaften
Privatdoz. Dipl.-Ing. Dr. techn. Christoph Reichl
Fakultät für Architektur und Raumplanung
Senior Scientist Dipl. Arch. Dr. techn. Lorenzo De Chiffre
Fakultät für Bau- und Umweltingenieurwesen
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Bernhard Pichler
Fakultät für Informatik
Senior Lecturer Dipl.-Ing. Dr. techn. Stefan Podlipnig
Fakultät für Technische Chemie
Univ.-Ass. Dipl.-Ing. Thomas Haunold, BSc
Fakultät für Physik
Privatdoz. Dipl.-Ing. Dr. techn. Herbert Balasin
Fakultät für Mathematik und Geoinformation
Senior Lecturer Dipl.-Ing. Dr. techn. Markus Faustmann
TU Wien Academy for Continuing Education
Associate Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Johann Fellner
Best Lecture 2022
In dieser Kategorie wurden besonders positiv erlebte Lehrveranstaltungen aus dem Studienjahr 2021/22 ausgezeichnet. Gewonnen haben drei Lehrveranstaltungen mit ihren Lehrendenteams. Die stolzen Gewinner sind:
Elektrodynamik I VU (136.015 – 2022 S)
Privatdoz. Dipl.-Ing. Dr. techn. Herbert Balasin
Univ.-Ass. Dipl.-Ing. Dr. rer. nat. Felix Hummel
Thermische Biomassenutzung VO (166.220 – 2022 S)
Projektass. Dipl.-Ing. Dr. techn. Florian Benedikt, BSc
Univ.-Lektor Dipl.-Ing. Dr. techn. Matthias Kuba, BSc
Senior Scientist Dipl.-Ing. Dr. techn. Stefan Müller
Einführung in die Programmierung 1 VU (185.A91 – 2021 W)
Senior Lecturer Dipl.-Ing. Dr. techn. Stefan Podlipnig
Sonderpreis Digital Teaching
Mit dem Sonderpreis Digital Teaching werden Lehrveranstaltungen ausgezeichnet, die digitale Lehrelemente bestmöglich in das didaktische Lehrkonzept integrieren. Die Gewinner*innen dieser Kategorie sind:
HW/SW Codesign LU (182.701 – 2021W)
Univ.-Ass. Dipl.-Ing. Dr. techn. Florian Ferdinand Huemer, BSc
Univ.-Ass. Dipl.-Ing. Jürgen Maier, BSc
Ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Andreas Steininger
Denkweisen der Informatik VU (187.B12 – 2021W)
Ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Peter Purgathofer
Privatdoz. Christopher Frauenberger, PhD
Univ.-Assin. Maga. des. ind. Silvia-Kay Kender
Univ.-Assin. Dipl.-Ingin. Janis Lena Meißner, PhD
Ao. Univ.-Profin. Maga. rer. soc. oec. Drin. phil. Margit Pohl
Senior Lecturer Dipl.-Ing. Michael Urbanek, B.A. BSc MSc
Univ.-Prof. Mag. rer. nat. Dr. rer. nat. Stefan Szeider