Bruce Warrington, CENAP, Naila Baldwin

Der UFO-Entterarner

Wenn ein Ufo entdeckt wird, ist Hansjürgen Köhler nicht weit. Seit 1976 betreibt er das Centrale Erforschungsnetz außergewöhnlicher Himmelsphänomene, kurz CENAP. Rund um die Uhr und an jedem Tag der Woche klärt er Ufo-Sichtungen auf – oder auch nicht.

Text: Naila Baldwin Foto: Bruce Warrington, CENAP, Naila Baldwin

Das Wort Ufo beschreibt ein ­unidentifiziertes Flugobjekt, also alles, was am Himmel fliegt und sich nicht in bekannte ­Flugobjekte ­einordnen lässt. Und davon gibt es eine ganze ­Menge: Zwischen 300 und 400 Anrufe erhält Hansjürgen Köhler im Jahr, in den letzten Jahren waren es sogar 600 bis 800. Die Hotline der CENAP ist seit den 1990ern 24 Stunden am Tag, ­sieben Tage die Woche besetzt – früher gingen die Meldungen per Brief ein. Die Idee entstand im Jahr 1973 bei einem Besuch von Köhler und seinem Jugendfreund Werner Walter in einer Sternwarte. Dort lag der Telefonhörer nicht auf der Gabel – die Sternwarte war für Anrufer*innen also nicht erreichbar. Das Telefon würde sonst ununterbrochen klingeln, so der Leiter der ­Sternwarte. „Wollen wir Sterne beobachten oder ­Telefondienst machen?“, fragte er damals die beiden Schüler. Tatsächlich gab es zu dieser Zeit keine andere ­Anlaufstelle für sogenannte Sichtungen. Deshalb gründeten Köhler und ­Walter 1973 in Mannheim gemeinsam das ­CENAP, erst als Forschungsgruppe und drei Jahre später als Anlaufstelle.

Gab es die letzten Tage Sichtungen?
Hansjürgen Köhler: Vorgestern ist der Himmel gegen Abend aufgeklart, da wusste ich sofort: Heute gibt’s ­wieder Arbeit. Bei klarem Himmel sind Fixsterne wie Sirius gut zu erkennen; diese regen bei den Menschen das Kopfkino an. Am Morgen darauf sind Elon Musks Starlink-Satelliten über den Himmel gezogen, mittags wurde über Stuttgart ein weißes Objekt gesichtet, das hat sich später als Wetterballon herausgestellt.

Wer meldet diese Sichtungen?
(H. K.): Das ist wirklich ein breiter Durchschnitt der Bevölkerung: Bäcker, Handwerker, Lehrlinge, Kaufmänner, Professoren – wir alle können in die ­Situation kommen, etwas zu sehen, was wir nicht einordnen können.

Haben Sie auch schon Ufos gesehen?
(H. K.): Ein halbes Jahr lang wurde uns immer wieder von einem orangerot ­flackernden Phänomen berichtet, das gemütlich über den Himmel gezogen ist. Das widersprach allem, was wir bisher kannten. An Silvester haben wir es selbst gesehen: Es ist provokant langsam geflogen, deswegen konnten wir Feuerwerke oder Leuchtpistolen ausschließen. Später hat sich herausgestellt, dass eine Gruppe Piloten zum Spaß kleine Heißluftballons in die Luft geschickt hatte.

Haben Sie schon einmal selbst etwas in die Luft geschossen, das andere dann für ein Ufo gehalten haben?
(H. K.): Da geht die Geschichte weiter: Im Flugzeugbedarf haben wir uns selbst ein paar der kleinen Heißluftballons bestellt und ausprobiert. Im Nachbarort hat ein Polizist, der auf den Balkon gegangen war, um eine Zigarette zu rauchen, die Ballons gesehen. Er konnte sie nicht einordnen und hat sich an die Presse gewendet. Zwei Tage später wurde ein Bericht über unbekannte orangerote Flugobjekte veröffentlicht.

Der Vogeleffekt, Mainz (rechts oben), der Flugzeugeffekt (links oben), ein Scheibenfleck, Beerfelden (links unten).

Lassen sich die meisten Ufos erklären?
(H. K.): Wir haben es zu 99 % mit normalen Dingen zu tun, die einfach missinterpretiert werden. Oft haben die Leute Beobachtungsstress oder sitzen mit einer Gruppe zusammen. Jemand aus der Gruppe entdeckt etwas und sie schaukeln sich gegenseitig hoch.

Was ist mit dem einem Prozent, das sich nicht ­erklären lässt?
(H. K.): Das sind Menschen, die sich bei uns melden und anfangen mit: „Ich habe da Mitte der 80er-Jahre mal etwas gesehen …“ – aber ohne Datum, Uhrzeit, Himmelsrichtung, Ablauf, Ort können wir nicht mit den Untersuchungen beginnen. Oft können wir auf Flugverkehr oder etwas Astronomisches schließen, aber der Fall bleibt offen, weil wir es nicht verifizieren können.

Gehen Sie auch manchmal nicht ans Telefon?
(H. K.): Anfang der 2000er waren asiatische Himmelslaternen für ein, zwei Euro auf jedem Markt zu haben. Denen, die nicht mitbekommen haben, was das ist, haben wir 20-mal am Tag erklärt, was das ist – beim 21. Mal waren wir es echt leid. Da haben wir das Telefon stummgeschaltet und die Erklärung auf den Anrufbeantworter gesprochen.

Glauben Sie an Aliens?
(H. K.): Außerirdisches Leben auszuschließen wäre ignorant. Aber die Entfernungen im Weltall sind so extrem, da werden sich unsere Wege so schnell nicht kreuzen. Zeitreisen und der Warp-Antrieb aus „Star Trek“ (Antriebs­mechanismus der Raumschiffe in der Serie; Anm.) sind nette Gedankenspiele, aber das wird so schnell nicht geschehen. Viel wahrscheinlicher ist es, dass Aliens mit fliegenden Untertassen zu uns kommen.

Was würde passieren?
(H. K.): Eine Massenpanik, wie sie von Science-Fiction-Filmen und diversen Ufologen verbreitet wird, ist Quatsch. Ich denke, die meisten fänden es gut, dann ist das Thema abgehakt, und vielleicht bringen die Außerirdischen uns ja sogar auf die richtige Spur. Aber ich glaube, wenn uns irgendwer von da draußen entdecken würde, würden sie schnellstmöglich weiterfliegen! (lacht)

Welche Ufos erwarten uns in Zukunft?
(H. K.): Aktuell beschäftigen uns die Drohnen, das wird sich in Zukunft häufen. Zusätzlich sind neue Flugzeuge sehr futuristisch designt. Der Trend, Transport und Verkehr in die Luft zu verlegen, wird uns noch sehr beschäftigen.