Die Inputfaktoren einer Firma sind Kapital und Arbeit. Ersteres können Firmen im Regelfall selbst beschaffen, im Zweifelsfall sogar selbst schaffen, doch Arbeitskräfte sind nicht immer leicht zu finden – das zeigt der Fachkräftemangel, der viele Industrieländer seit einigen Jahren fest im Griff hat, darunter auch Österreich. Die Folgen eines solchen Arbeitskräftemangels sind schwerwiegend: Nicht nur büßen Unternehmen Umsätze ein, auch werden bestehende Arbeitskräfte stärker belastet, da Firmen keine zusätzlichen Arbeitnehmer*innen einstellen können. All das bremst die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens und – als direkte Folge dessen – die Innovationsfähigkeit Österreichs. Innovationen aber sind ein zentraler Treiber für Wirtschaftswachstum und langfristigen Wohlstand. Regierungen müssen deshalb darauf achten, gute Rahmenbedingungen zu schaffen, um als Wirtschaftsstandort attraktiv zu bleiben.
In Österreich gibt es deshalb die Austrian Business Agency. Ihre Aufgabe ist es, den Wirtschafts-, Arbeits- und Filmstandort Österreich international zu bewerben. „Die ABA gestaltet das Schaufenster Österreich in wirtschaftlicher Hinsicht auf einer globalen Ebene“, erklärt René Tritscher, Geschäftsführer der ABA. „Wir begleiten und beraten außerdem internationale Unternehmen – egal, ob Industrieunternehmen oder Start-ups – und internationale Fachkräfte, die nach Österreich kommen wollen.“ Der Fokus liege dabei auf den Bereichen IT, MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) und Life Sciences. Die Aufgaben spannen sich über die drei Säulen der ABA: INVEST in AUSTRIA, WORK in AUSTRIA und FILM in AUSTRIA – die Zielgruppen sind in jedem Geschäftsbereich unterschiedlich. „Bei INVEST in AUSTRIA liegt unser Fokus auf internationalen Unternehmen. Wir wollen ihnen helfen, ihren Standort in Österreich aufzubauen, und sie auch bei ihrer weiteren Expansion unterstützen“, erklärt Tritscher. Und: „Wir beantworten ihnen Fragen wie: Welche Förderungen kann ich in Anspruch nehmen? Wo finde ich ein geeignetes Grundstück für mein Unternehmen?“ Da es sich teilweise um große Forschungszentren oder Produktionsstätten handelt, sind diese Fragen oft nicht einfach zu beantworten. Die ABA arbeitet deswegen auch mit regionalen Standortagenturen zusammen. Österreichische Unternehmen auf der Suche nach internationalen Fachkräften können sich ebenfalls kostenlos an die ABA wenden, genau wie Fachkräfte selbst, die in Österreich arbeiten möchten – die Zielgruppe von WORK in AUSTRIA. Im dritten Geschäftsbereich arbeitet die ABA mit Filmproduzent*innen zusammen, die in Österreich drehen wollen. „Dieser Mix aus Beratung und maßgeschneiderten Services macht uns als Standortagentur europaweit zum Vorreiter – vielleicht sogar weltweit“, erzählt Tritscher stolz.
Neben der Bewerbungsfunktion erfüllt die ABA also auch eine Beratungsfunktion. Dafür arbeitet sie mit Organisationen wie der AWS, der FFG oder der Wirtschaftskammer zusammen. Handelt es sich um Fragen zum idealen Unternehmensstandort in Österreich, kooperiert die ABA auch mit lokalen Partnern. „Aber besonders wichtig ist uns die Kooperation mit den Unternehmen und Fachkräften direkt“, erklärt Tritscher. Um internationale Fachkräfte nach Österreich zu ziehen, arbeitet die Agentur mit Universitäten im Ausland zusammen, ist auf Messen vertreten oder veranstaltet Roadshows, auf denen internationale Talente österreichische Firmen kennenlernen können. So werden direkte Kontakte zwischen den Unternehmen und Nachwuchskräften geknüpft. Außerdem bietet die ABA eine Jobbörse an, auf der Unternehmen Stellenangebote ausschreiben können. Durch die internationale Bewerbung derselben erreichen Firmen ein viel breiteres und diverseres Publikum.
Speziell bei WORK in AUSTRIA, also der Abteilung, die für die Bewerbung des Arbeitsstandorts und die Beratung von internationalen Fachkräften und heimischen Unternehmen zuständig ist, spielt die ab Oktober geltende Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte eine bedeutsame Rolle. Mit der Rot-Weiß-Rot-Karte können Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern – und ihre Familien – in Österreich leben und arbeiten. „Sie ist das Eintrittsticket
in den österreichischen Arbeitsmarkt für Drittstaatsangehörige“, erzählt Margit Kreuzhuber, Abteilungsleiterin von WORK in AUSTRIA. Die Verfügbarkeit von Fachkräften ist für viele internationale Unternehmen ausschlaggebend dafür, in welche Regionen sie expandieren. Gepaart mit dem Stichwort des demografischen Wandels wird schnell deutlich, wie wichtig es für ein Land ist, auch aus dem Ausland Fachkräfte anzuziehen.
Voraussetzung für den Erhalt einer Rot-Weiß-Rot-Karte ist ein Jobangebot eines österreichischen Unternehmens. Anschließend können sowohl Arbeitgeber*in als auch Arbeitnehmer*in einen Antrag stellen. „Dadurch, dass nach den objektiven Kriterien Ausbildung, Berufserfahrung, Alter und Sprachkenntnisse Punkte vergeben werden, wissen Fachkräfte, welche Voraussetzungen für die Zuwanderung nach Österreich vorliegen müssen“, erläutert Kreuzhuber. Länder wie Neuseeland oder Kanada, in denen Einwanderer einen großen Einfluss auf die Wirtschaft haben, dienten als Vorlage für das Konzept. Die meisten Fachkräfte kommen aus Serbien, Bosnien, den USA, Kanada, China oder der Türkei mit der Rot-Weiß-Rot-Karte nach Österreich. Die ABA plant außerdem, künftig auch in Spanien, Albanien, Mazedonien und im Kosovo stärker für Österreich zu werben.
„Wir haben durch unsere Beratungsleistung viele Erfahrungen gesammelt und Feedback von heimischen Unternehmen bekommen und dies an die zuständigen Ministerien weitergegeben. Viele Praxiserfahrungen wurden in der Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte berücksichtigt“, erzählt Kreuzhuber. Verfahren wurden gestrafft, flexibler gemacht und digitalisiert; es können ab Oktober mehrere Verfahrensschritte gleichzeitig bearbeitet werden, sodass der Weg zur Rot-Weiß-Rot-Karte kürzer ist. Zusätzlich wurde die Gültigkeit von Sprachnachweisen von einem auf fünf Jahre verlängert und das Mindestentgelt, welches eine Fachkraft verdienen muss, damit sie die Rot-Weiß-Rot-Karte erhält, wurde gesenkt. „Bei Personen, die in Österreich studiert haben, fällt das Mindestentgelt sogar komplett weg“, ergänzt die Abteilungsleiterin.
Eine weitere Änderung im Verfahren rund um die Rot-Weiß-Rot-Karte betrifft die ABA selbst: Diese wurde mit der Reform im Gesetz verankert und kann so noch enger mit den Behörden und zuständigen Stellen zusammenarbeiten. Heuer fanden über 800 Beratungen zum Thema Aufenthalt und Einwanderungen statt. Durch die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte erwartet man sich einen Anstieg dieser Zahlen. Die ABA berät darüber hinaus zum Thema Leben und Arbeiten in Österreich und zu Fragestellungen, die vom Steuer- und Gesundheitssystem bis hin zu Ausbildungsmöglichkeiten für die Kinder der Fachkräfte reichen.
Ob so der Fachkräftemangel gelindert werden kann? Die Zahlen zeigen: Österreich ist auf dem richtigen Weg. Laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts IHS (Institut für Höhere Studien) trugen internationale Fachkräfte zwischen 2010 und 2020 10 % zur gesamten Wirtschaftsleistung bei, was knapp 40 Mrd. € entspricht. Knapp 530.000 internationale Fachkräfte sind außerdem in Arbeitsverhältnissen mit österreichischen Unternehmen. „Diese Menschen leisten nicht nur durch ihre Arbeit einen bedeutsamen Beitrag zur österreichischen Wirtschaft, auch durch Steuern und öffentliche Abgaben wird der Sozialstaat gestärkt“, ergänzt Tritscher. Knapp 13 Mrd. € fließen dem Staat jährlich von internationalen Fachkräften zu.
Die Austrian Business Agency bewirbt den Wirtschaftsstandort Österreich bei internationalen Unternehmen, Fachkräften und Filmteams und bringt Firmen und Experten zusammen. Außerdem unterstützt sie internationale Fachkräfte auf ihrem Weg nach Österreich und hilft Unternehmen dabei, das Beste aus dem Wirtschaftsstandort Österreich herauszuholen. René Tritscher ist seit Sommer 2021 Geschäftsführer der ABA; seine Kollegin Margit Kreuzhuber ist die Abteilungsleiterin der Abteilung Work in Austria.
Der Einfluss internationaler Fachkräfte auf die heimische Wirtschaft ist also nicht zu bestreiten – und die ABA spielt eine zentrale Rolle in der Bewerbung Österreichs als Wirtschafts- und Arbeitsstandort sowie in der Beratung für Fachkräfte und Unternehmen. Tritscher betont abschließend: „Als One-Stop-Shop für internationale und heimische Unternehmen und Fachkräfte können wir auch auf sehr spezifische Fragen eingehen und haben gleichzeitig einen Überblick über die Situation. So können wir, gemeinsam mit den Unternehmen und internationalen Fachkräften, gute Lösungen finden.“
Text: Erik Fleischmann