Im November 1989 sah die Welt zu, als die Berliner Mauer, ein Symbol für die Teilung des Planeten und die Spannungen des Kalten Kriegs, zusammenbrach. Dabei wurde nicht nur Beton abgebrochen, sondern Barrieren wurden niedergerissen,
und die Welt war symbolisch vereint.
Inspiriert durch den Fall der Berliner Mauer zielt die NGO Falling Walls Foundation mit ihrem jährlichen Falling Walls Science Summit darauf ab, eine Plattform für wissenschaftlichen Austausch zu schaffen und als Katalysator für Innovationen zu wirken. „Es ist ein Schmelztiegel von Ideen aus allen Bereichen, nicht nur aus der Wissenschaft, sondern auch aus Industrie, Medien und Politik“, sagt Andreas Kosmider, der seit September dieses Jahres als Geschäftsführer der Falling Walls Foundation fungiert. Im Kern der Initiative steht die Frage: Welche Mauern werden als nächste fallen? Der erste Tag des Summits war den Falling Walls Pitches gewidmet. Forscher*innen und Start-up-Vertreter*innen präsentierten ihre Initiativen, um Mauern in Bereichen wie Wasserknappheit, Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe und erneuerbare Energien zu durchbrechen. Der Tag endete mit der Verleihung der „Falling Walls Science Breakthrough of the Year“-Auszeichnung, bei der herausragende Beiträge in neun Kategorien – von Naturwissenschaften bis hin zu Kunst und Technik – geehrt wurden.
Am zweiten Tag nahm der Summit mit Gesprächen am runden Tisch an Fahrt auf, die Expert*innen zusammenbrachten, um zum Beispiel die Mauern der transatlantischen wissenschaftlichen Zusammenarbeit, des Klimaschutzes und der Wissenschaft der planetaren Grenzen zu durchbrechen. Am letzten Tag des Summits standen Vorträge, unter anderem von Ferenc Krausz, dem diesjährigen Nobelpreisträger für Physik, und Bettina Stark-Watzinger, der deutschen Wissenschaftsministerin, auf dem Programm. Es folgte ein Abschluss durch unseren Protagonisten Andreas Kosmider.
Dieser Summit war Kosmiders erster als CEO. Seine wissenschaftliche Odyssee, die durch kindliche Leidenschaft für Physik ausgelöst und von seinen Eltern und Lehrer*innen begleitet wurde, führte ihn in die Bereiche der experimentellen Astroteilchenphysik, der Energiesysteme und der Fusionstechnologien. Nach seinem Wechsel ins Wissenschaftsmanagement bei der Helmholtz-Gemeinschaft in Berlin fand er sich in seiner jetzigen Position wieder, wo er bestrebt ist, neue Wege zu gehen und nach den Sternen zu streben, oder wie er sagen würde, „ad astra“.
Auf die Frage nach den Höhepunkten des Summits nimmt sich Kosmider Zeit zum Nachdenken. „Es ist schwer, ein einzelnes Highlight zu nennen“, sagt er schließlich. Unter den unzähligen inspirierenden Momenten war er besonders von Matthias Tschöps Arbeit an therapeutischen Lösungen für Adipositas und Diabetes fasziniert. „Wir sprechen hier über etwas, das Milliarden von Leben verändern könnte“, sagt Kosmider. „Wenn man sich einen Moment Zeit nimmt und wirklich darüber nachdenkt, bekommt man Gänsehaut.“
Was Kosmider ebenso unvergesslich findet, ist das junge Publikum. Hundert junge Köpfe präsentierten ihre Arbeit im „Lab“-Abschnitt der Veranstaltung, 50 im „Engage“- und weitere 50 im „Venture“-Bereich. „Es ist toll, diese jungen Leute am Anfang ihrer Karriere zu sehen, voller Ideen und Energie“, sagt Kosmider. „Und das Coolste daran? Wir behalten den Überblick über all diese Köpfe.“ Im Laufe der Jahre hat die Falling Walls Foundation rund 20.000 Kontakte hergestellt. Für Kosmider ist es eine Ehre, zu beobachten, wie einige von ihnen Großes erreicht haben. „Sie sind Teil unserer großen Familie“, sagt er.
Aber was kann diese riesige Familie erreichen? Wie positioniert sich die Falling Walls Foundation in einer Skala von akademischer zu populärwissenschaftlicher Kommunikation? Für den Geschäftsführer stellt sich diese Frage so nicht – er verweist auf erhebliche Überschneidungen zwischen den beiden Bereichen und sagt: „Unsere oberste Priorität ist akademische und wissenschaftliche Qualität; kein Unfug.
Alles, was es zu Falling Walls schafft, ist akademisch erstklassig.“ Aber das alleine reicht nicht aus. Was auch zählt, ist das Publikum, die Empfänger*innen der Kommunikationsversuche von hochgradiger Wissenschaft. „Wir präsentieren alles so, dass es auch für Außenstehende zugänglich ist“, sagt Kosmider, „aber wir machen es nicht dumm.“ Zugegeben, es gibt eine gewisse Vereinfachung der Komplexität, bei der der dichte theoretische Hintergrund einiger Durchbrüche übersprungen wird, um sie für Nichtexpert*innen verdaulich zu halten. Wenn gefragt, ob seine Foundation etwa bei den notwendigen Maßnahmen für das Klima etwas bewirken kann, stellt Kosmider auch das infrage. Er erklärt: „Unser Einfluss ist nicht direkt; was wir tun, ist, die Neugier der Menschen zu wecken. Das ist der Punkt, an dem wir wirklich die Chance haben, etwas zu bewegen.“
Das ist der eine Aspekt – der andere ist der interdisziplinäre Ansatz. „Nehmen wir zum Beispiel den Klimawandel“, sagt Kosmider. „Das kann nicht von einem einzelnen Wissenschaftler oder einer einzelnen Disziplin bewältigt werden. Man braucht Klimawissenschaftler, Ingenieure für Energiesysteme, Stadtplaner, Verkehrsexperten und so weiter. Es geht darum, diese verschiedenen Bereiche zusammenzubringen, um diese gesellschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen.“
Auf die Frage, ob Lösungen für das Problem des Klimawandels lokal oder global sein sollten, argumentiert er, dass das Problem nuancierter zu betrachten sei. Der Emissionshandel sei ein Beispiel für ein globales Thema. „Stellen Sie sich vor, alle Industrieländer würden sich auf ein CO2-Budget einigen und jeder bekäme seinen Anteil, um mit dem Handel zu beginnen“, sagt Kosmider. „Das ist eine weltweite Aktion, die man nicht nur lokal durchführen kann. Andererseits ist die Nutzung lokaler Gewässer zum Anbau von Algen, die CO2 absorbieren und dann unter dem Sand vergraben werden, eine lokale Maßnahme; oder die Gestaltung von Straßen für den elektrischen Verkehr – auch das ist lokal.“
Für den Optimisten in ihm ist es die Grundlage seiner Vorstellung von weltweitem Wissenstransfer, Menschen ernst zu nehmen, Interesse zu wecken und ihnen dann verständliche Informationen zu liefern. Diese Vorstellung ist eng mit seiner Vision für Falling Walls verbunden: Kosmider wünscht sich, dass die Foundation zu einer Fabrik des Optimismus wird. „Jedes Jahr versammelt man 500 Menschen genau an dem Ort, an dem die Berliner Mauer einst fiel, und fragt sie, welche Mauern als nächste fallen sollten. So entstehen 500 großartige Ideen“, sagt er. „Die Teilnehmer verlassen den Veranstaltungsort voller positiver Energie und dem Glauben an die Machbarkeit. Man denkt: Alle Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind auf diese Weise lösbar. Ich übertreibe zwar, aber es ist von enormer Bedeutung, diese Einstellung bei den Teilnehmern zu wecken, da sie sie dann in die Welt hinaustragen werden.“
JEDES JAHR VERSAMMELT MAN 500 MENSCHEN GENAU AN DEM ORT, AN DEM DIE BERLINER MAUER EINST FIEL, UND FRAGT SIE, WELCHE MAUERN ALS NÄCHSTE FALLEN SOLLTEN. SO ENTSTEHEN 500 GROSSARTIGE IDEEN.
Andreas Kosmider
Andreas Kosmider ist seit September 2023 Geschäftsführer der Falling Walls Foundation. Zuvor leitete er strategische Initiativen zur Digitalisierung in der Helmholtz-Gemeinschaft. Er hat am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) in Physik promoviert.