ZUSAMMEN WACHSEN

Als Europas führender Karton- und Faltschachtelproduzent ist die Mayr-Melnhof Gruppe (MM) in einer zukunftsorientierten Branche angesiedelt – und das, obwohl die Gründung des Unternehmens schon mehr als 130 Jahre zurückliegt.

Text: Sophie Ströbitzer

2021 vergrößerte sich das global agierende Unternehmen mit Fokus auf Europa um zwei strategische Akquisitionen und beschäftigt heute über 12.000 Mitarbeiter*innen weltweit. Mit COO Board & Kraft Paper Operations Bernhard Leopold Peschek haben wir uns darüber unterhalten, was Nachhaltigkeit bei MM bedeutet.

Ob Tiefkühlpizza, Frühstücksflocken, Parfumverpackung oder Medikamentenschachteln: Verpackungen von MM hat wohl jeder von uns schon einmal in der Hand gehalten, denn Europas ­führender Kartonproduzent fertigt 2,6 Millionen Tonnen an Karton- und Papierprodukten jährlich – davon ­circa 40 % aus recyceltem Papier. Obwohl das Thema Nachhaltigkeit erst in den vergangenen 20 Jahren verstärkt ­relevant geworden ist, beschäftigt sich die MM Gruppe schon lange damit.

1888 im Bereich Holzstoff und ­Pappe gegründet hat das österreichische Unternehmen schon einen langen Weg hinter sich gebracht. Die erste indus­trielle Kartonmaschine wurde 1950 im Stammwerk Frohnleiten in der Steiermark errichtet und fokussierte sich auf die industrielle Fertigung von Faltschachteln aus Karton. Seit 1994 notiert das Unternehmen an der Wiener Börse und verfolgte von da an eine starke globale Expansion. Über die nächsten 20 Jahre integrierte der ­Kartonhersteller rund um die Familie Mayr-Melnhof immer mehr Werke und zählt heute 52 Produktionsstandorte auf drei Kontinenten; der Fokus liegt dabei in Europa. Vergangenes Jahr hat sich das Unternehmen durch den Kauf der großen Karton- und Papierwerke Kwidzyn in Polen und Kotkamills in Finnland strategisch erweitert.

Während die Eigentumsverhältnisse zu mehr als der Hälfte in der Familie liegen, ist die lenkende Hand des Unternehmens familienextern: Seit 2020 ist Peter Oswald CEO der MM Gruppe. Der gebürtige Oberösterreicher bringt 28 Jahre Branchenerfahrung in die Position mit, so war er bis 2017 CEO des börsennotierten Verpackungs- und Papierunternehmens Mondi Group, zu dessen maßgeblicher Entwicklung er bereits seit 1992 beitrug. Seit vergangenem Oktober ist Oswald außerdem Vorsitzender des Universitätsrats der TU Wien.

Das Geschäftsmodell der über 3700 Kunden zählenden MM Gruppe ist in zwei Felder aufgeteilt: MM Board & Paper und MM Packaging. MM Board & Paper ist führender Kartonproduzent in Europa mit einem attraktiven Sortiment von ungestrichenem Feinpapier und Verpackungskraftpapieren, MM Packaging ist mit 46 Packaging-Standorten ein führender Faltschachtelproduzent in Europa. Beide Geschäftsfelder fungieren jedoch als eigene Profitcenter, die unterei­nander zu Marktkonditionen verkehren.

Um über die Bedeutung und Entwicklung von Nachhaltigkeit im Unternehmen sowie aktuelle Forschungsprojekte zu sprechen, haben wir COO Board & Kraft Paper Operations Bernhard Leopold Peschek zum Gespräch geladen.

Herr Peschek, können Sie mir er­zählen, wann und wie Sie zum Un­ternehmen gekommen sind?
Bernhard Leopold Peschek: Ich habe auf der Montanuniversität Leoben Gesteinshüttenkunde studiert und anschließend einen MBA in General Management absolviert. Zu Beginn meiner Karriere war ich in der Baustoffindustrie tätig, später international im Consulting. Dadurch habe ich zeitweise in der Schweiz, aber auch in Latein­amerika, Afrika und Asien gearbeitet.

2005 kam ich wieder zurück nach Österreich und bin seit 2008 in der Verpackungs- und Papierindustrie beschäftigt. Seit Herbst 2021 bin ich bei MM Board & Paper als Operations-­Geschäftsführer für die Karton- und Papierwerke tätig, aber auch für zentrale Themen wie Forschung und Entwicklung, Einkauf, Digitalisierung, Technologie sowie Energie verantwortlich. Wie bin ich dazu gekommen? Ganz einfach: Die Packaging- und ­Papierindustrie ist eine kleine und ­feine Branche.

Eine Branche, die Sie mittlerweile gut kennen, nehme ich an. Können Sie uns das Produkt der Mayr-Melnhof ­Gruppe kurz vorstellen?
[B. L. P.]: Bei MM produzieren wir ­Karton und Faltschachteln, die für verschiedenste Produkte genutzt werden können. Viele davon, wie Pizza­kartons, Müsliverpackungen und Co, finden sich im täglichen Gebrauch wieder. Damit sind wir ganz am Puls der Zeit, denn gesamtgesellschaftlich gesehen heißt der große Trend „Weg vom Kunststoff!“ – Konsumenten wollen ihre Verpackungen generell reduzieren und kein Plastik mehr kaufen. Immer geht das natürlich nicht, weil Kunststoff auch seine Vorteile hat, wir arbeiten aber daran, uns so gut wie möglich als beste Kunststoff­alternative zu etablieren. Der große Vorteil unseres Materials liegt in ­seiner Recycelbarkeit. Nachdem der Karton fachgerecht entsorgt wurde, wird er wieder in den Kreislauf zurückgeführt und kann erneut verwendet werden, immer und immer wieder.

2021 hat die Mayr-Melnhof Group 2,6 Millionen Tonnen an Karton- und Papierprodukten hergestellt.

Durch unsere Branche haben wir das Thema Nachhaltigkeit praktisch in unserer DNA verankert.

COO Bernhard Peschek über Nachhaltigkeit bei der Mayr-Melnhof Group

Mit der Produktion von Karton, die Ihr Unternehmen ja bereits seit über 70 Jahren betreibt, war Mayr-­Melnhof praktisch seiner Zeit ­vo­raus – wahrscheinlich ohne zu ­ahnen, wie wichtig das Thema Umwelt noch werden wird. Wann wurde Nachhaltigkeit für Sie relevant?
[B. L. P.]: Historisch kommen das Thema Nachhaltigkeit sowie die MM ­Gruppe ursprünglich auch aus der Forstwirtschaft. Zur Zeit der Gründung der MM Gruppe war Nachhaltigkeit aber natürlich noch kein Begriff, der aktiv verwendet wurde. Trotzdem war der Sinn dahinter immer schon ein Teil der MM-Philosophie. Durch unsere Branche haben wir das Thema Nachhaltigkeit praktisch in unserer DNA verankert, könnte man sagen. Gleichzeitig sind wir in Europa damit aufgewachsen, eine sehr hohe Recyclingquote zu haben. Die Ressource Papier beziehungsweise Karton galt hierzulande immer schon als wertvoll. Sie haben das in Ihrer Kindheit wahrscheinlich genauso gelernt wie ich: Papier sowie Glas wird getrennt entsorgt. Nachhaltigkeit war also zwangsläufig schon von Anfang an ein wichtiger Punkt für MM, auch wenn der Begriff in diesem Sinne damals noch nicht angewendet wurde.

Trotzdem ist das Thema in den vergangenen 20 Jahren natürlich noch einmal enorm wichtiger und auch ­polarisierender geworden. Wie hat sich Ihr Umgang mit dem Thema ­verändert?
[B. L. P.]: Unser Produkt ist zwar an sich schon recht nachhaltig, trotzdem ­arbeiten wir mit energieinten­siven ­Prozessen, die CO2-Ausstoß verur­sachen. Weil uns das Thema Klimaschutz am Herzen liegt, haben wir konstant ein hohes Augenmerk darauf, Energie ­einzusparen und alternative Energien einzusetzen. Wir sind deshalb auch Teil der Initiative „Business ­Ambition for 1.5 °C“ und haben uns dazu verpflichtet, bis zu einem bestimmten Referenzjahr unsere Emissionen dementsprechend zu verringern. Natürlich ist das ­Thema alternative Energien auch speziell durch den Angriff von Russland auf die Ukraine noch präsenter geworden.

Wie Sie schon gesagt haben, ist Mayr-­Melnhof ein ­Familienunternehmen mit einer langen Tradition und ­Geschichte. Über die Jahrzehnte hat sich natürlich über alle Bereiche hinweg viel verändert. Wie wichtig ist denn der Sektor Forschung und Entwicklung bei Ihnen?
[B. L. P.]: Das ist ein sehr wichtiger Bereich für uns. Wir versuchen konstant, unsere Produkte weiterzuentwickeln und zu optimieren. Vor allem wollen wir diese als eine immer bessere Alternative zu Kunststoff etablieren. ­Unsere anwendungsorientierte Forschung fokussiert sich deshalb auf die Frage: Wie kann Karton durch nachhaltig abbaubare Stoffe in seiner Funktion an Kunststoff angenähert werden? Außerdem beschäftigen wir uns ­damit, wie wir die Kartonfaser an sich noch besser aufbereiten können, ­damit wir sie nach dem Recycling wieder ­optimal einsetzen und nutzen können. Und dann gibt es natürlich auch noch Forschung im Bereich der Prozess­optimierung. Wie bereits angesprochen arbeiten wir konstant daran, unseren CO2-Footprint zu reduzieren und un­seren Energieverbrauch zu verkleinern.

Gibt es spezielle Initiativen, um die Innovation bei der MM Group zu ­fördern?
[B. L. P.]: Ich glaube, dass man das vor allem durch ein offenes Unternehmens­klima ermöglicht. Außerdem ist es wichtig, eine gewisse Fehlerkultur zu schaffen: Das bedeutet, dass ­Fehler ein Bestandteil des Prozesses sind und nicht sanktioniert werden. Mitarbeiter*innen haben dadurch von sich aus eine innere Motivation, eigene Vorschläge zu bringen und diese auch auszuprobieren. ­Natürlich haben wir zusätzlich auch Programme – wie zum Beispiel „we.invent“ –, bei denen es Wettbewerbe und Preise für innova­tive Vorschläge, aber auch Produktideen von Mitarbeiter*innen gibt.

Bernhard Leopold Peschek

ist seit sieben Monaten als COO Board & Kraft Paper Operations beim europaweit größten Karton-
und Faltschachtelproduzenten Mayr-Melnhof Group tätig. Nach­dem er an der Montanuniversität Leoben Gesteinshüttenkunde studiert hatte, war Peschek zuerst in der Baustoffindustrie sowie im internationalen Consulting tätig, bevor er sich 2008 der Packaging- und Papierindustrie zuwandte.

Mayr-Melnhof beschäftigt mittler­weile über 12.000 Leute in ganz ­Europa. Was macht das Unternehmen zu einem attraktiven Arbeitsplatz?
[B. L. P.]: Das mag vielleicht arrogant klingen, aber wir haben einfach ein Produkt, das attraktiv ist. Junge Leute wollen etwas verändern. Im Gegensatz zu meiner Generation, in der es mehr um Stabilität und Wohlstand ging, möchte die nächste Generation an sinnvollen Projekten arbeiten und bei Unternehmen angestellt sein, die solche verfolgen. Außerdem ist unser Unternehmen auf Wachstumskurs – einerseits durch die immer relevanter werdende Industrie und andererseits, weil wir uns auch operativ vergrößern. Wir sind ein global agierendes Unternehmen mit Standorten in ganz Europa und leben daher eine diverse Unter­nehmenskultur. Aufgrund unserer Größe und internationalen Aufstellung können wir unseren Mitarbeiter*innen vor allem auch interessante Förder-, Austausch-, Trainings- oder Mentorenprogramme bieten. Auch mit der TU Wien arbeiten wir beispielsweise eng zusammen.

Wie würden Sie die Unternehmensphilosophie von Mayr-Melnhof ­beschreiben?
[B. L. P.]: Wie man auch der ­Titelseite unseres letzten Jahresberichts ent­nehmen kann, ist „Growing together“ einer unserer zentralen ­Leitgedanken neben dem Motto „We get things done“. Wir sind jüngst stark gewachsen und wollen auch weiterhin viel bewegen und weiter wachsen – vor allem als Team. Durch unsere nachhaltigen Produkte ist nachhaltiges ­Wirtschaften auch ­wesentlicher ­Bestandteil der Unter­nehmensphilosophie. Mit ­einer Eigentümerstruktur von 57 % in ­Familienbesitz sind wir langfristig ­robust und solide aufgestellt.