WENN DAS UNIVERSUM RUFT

Der Geschichte unseres Sonnensystems auf den Grund zu gehen hat Paul Szabo immer schon gereizt. Nach einem Doktorat in Angewandter Physik an der TU Wien und sieben Jahren als Teil einer Forschungsgruppe – dort konnte er mit seinen Erkenntnissen bereits die ESA bei der Bepi-Colombo-Mission zum Merkur unterstützen – forscht er nun an einer der besten Universitäten der Welt.

Text: Sophie Ströbitzer

Sie haben vor knapp zehn Jahren begonnen, Physik an der TU Wien zu studieren. Heute machen Sie einen Postdoctoral Scholar an der Berkeley University. Was hat Sie damals wie auch heute an der Disziplin gereizt?
PAUL SZABO: Ich habe schon während der Schulzeit gemerkt, dass ich großes Interesse an Naturwissenschaften, eben auch an Weltraumforschung, habe. Nach der Matura entschied ich mich deshalb für das Studium der Physik, weil mir Mathematik etwas zu wenig anwendungsbezogen war und ich das Gefühl hatte, durch die Physik könne man besser verstehen, wie die Welt „funktioniere“. Rückblickend war das auf jeden Fall die richtige Entscheidung.

Wie ging es danach bei Ihnen weiter?
[P. S.]: Nach dem Bachelor- und Master-Studium der Technischen Physik an der TU Wien schrieb ich meine Dissertation bei Professor Friedrich Aumayr am Institut für Angewandte Physik (IAP). Als Mitglied seiner Arbeitsgruppe konzentrierte ich mich dabei einerseits auf die Fusionsforschung, andererseits ergab sich durch eine Kooperation mit der Universität Bern ein weiterer Fokus: die Anwendung der in unserer Forschungsgruppe bereits etablierten Methoden in der Planetenforschung, um zu untersuchen, wie geladene Teilchen mit Planeten- oder Mondoberflächen wechselwirken.

Können Sie das noch etwas genauer – auch für Physik-Laien – erklären?
[P. S.]: Von der Sonne geht ein kontinuierlicher Teilchenstrom aus, der sogenannte Sonnenwind. Das bedeutet, dass Ionen, also Atome, denen Elektronen fehlen, als geladene Teilchen von der Sonne weggeschleudert werden. Diese Teilchen können anschließend ungebremst auf andere Objekte, wie zum Beispiel Monde oder etwa auch den Planeten Merkur, auftreffen, weil diese im Gegensatz zur Erde nicht von einer Atmosphäre oder nur teilweise von einem Magnetfeld geschützt sind. Die Auswirkungen dieses Teilchenstroms können wir zum Beispiel auf der Erde in Form von Polarlichtern beobachten. Auf dem Mond treffen die Ionen direkt auf der Oberfläche auf, wobei sie diese verändern bzw. abtragen können. Diese sogenannte Weltraumverwitterung, also die Veränderung der Oberflächenbeschaffenheit ist enorm wichtig für uns, wenn wir Monde oder andere Planeten genauer untersuchen wollen.

Die Geschichte des Universums hatte für mich immer schon eine sehr große Faszination.

Paul Szabo, postdoktoraler Mitarbeiter der University of Berkley

Durch die so gewonnenen Er­kennt­nisse konnten Sie später auch die European Space Agency (ESA, Anm.) bei einer Merkur-Mission maßgeblich unterstützen. Wie war das für Sie?
[P. S.]: Die Universität Bern betreibt viel Forschung im Bereich der Planetenkunde. Für uns am IAP in Wien war das ein eher neueres Gebiet, trotzdem konnten wir durch unsere Untersuchungen einen Bereich abdecken, der noch wenig erforscht war. Wir konnten durch unsere Messungen präzis bestimmen, in welchem Ausmaß die Oberflächen durch den Sonnenwind abgetragen oder zerstäubt werden. Die Ergebnisse unserer Experimente werden ein wichtiger Teil der Bepi-Colombo-Mission der ESA zum Merkur sein. Hier wird versucht, die durch den Sonnenwind herausgeschlagenen Atome in der sehr dünnen Atmosphäre des Merkurs zu untersuchen und daraus Rückschlüsse auf die Oberfläche dieses Planeten zu ziehen. Ursprünglich war vorgesehen, im Zuge der Mission auch auf dem Merkur zu landen. Das war aber zu kompliziert und zu teuer, deshalb liegt nun die Herausforderung darin, durch verschiedene Messmethoden die Oberflächenbeschaffenheit aus dem Orbit zu erkunden. Dazu einen Beitrag leisten zu können, war sehr spannend und auch die Resonanz und das Interesse des Umfelds waren sehr groß. Die Kooperation mit Bern war definitiv eine große Motivation während meiner Arbeit.

Auch in anderen Publikationen beschäftigen Sie sich mit dem Weltraum. Was fasziniert Sie denn daran so sehr?
[P. S.]: Das ist irgendwie ein sehr grundsätzliches Interesse von mir, denn die Geschichte des Universums übt auf mich eine große Faszination aus. Ich habe schon immer besonders stark dieses Staunen darüber empfunden, wie zum Beispiel die Planeten und die Monde entstanden sind. Deshalb reizt es mich auch enorm, unser Sonnensystem, soweit wir das mit unseren Mitteln können, zu erforschen.

Aktuell betreiben Sie Ihre Forschung an der University of Berkeley in Kalifornien, die zu den besten Einrichtungen der Welt gehört. Wie kam es dazu?
[P. S.]: An der TU Wien war ich fast sieben sehr spannende Jahre lang Teil der Forschungsgruppe von Professor Aumayr und bekam dadurch eine gute Vorstellung davon, wie ein wissenschaftlicher Alltag abläuft – dementsprechend wusste ich auch schnell, dass ich meine Karriere in der Wissenschaft fortführen will. Da ich in der Weltraumforschung bleiben wollte, hat es Sinn ergeben, in die USA zu gehen, denn die NASA ist in diesem Bereich sehr aktiv. Durch meine frühere Publikation über den Marsmond Phobos war mir die spannende Forschung, die am Space Sciences Laboratory in Berkeley betrieben wird, bekannt. Als dann dort die Stelle eines postdoktoralen Mitarbeiters ausgeschrieben wurde, war das einfach optimal für mich, denn hier wird viel zu Wechselwirkungen der geladenen Teilchen mit Oberflächen im Weltraum geforscht. Nach meiner erfolgreichen Bewerbung bin ich daher im Oktober 2021 in die USA gezogen.

Nach Abschluss seines Bachelorstudiums begann Paul Szabo in der Forschungsgruppe von Professor Friedrich Aumayr am Institut für Angewandte Physik zu forschen.

Würde Sie ein Flug ins Weltall ir­gend­wann reizen oder sind Sie eher der ­Beobachter von außen?<
[P. S.]: Doch, das würde mich durchaus reizen, obwohl es natürlich darauf ankommt, wie abenteuerlich dieser Ausflug wäre und wie sich der Weltraumtourismus in den nächsten Jahren verändert. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mich zu Neil Armstrongs Zeiten nicht getraut hätte, diesen Schritt zu wagen (schmunzelt). Die Missionen der ersten Astronauten bargen ja durchaus noch große Gefahren. Aktuell ist so ein Weltraumflug natürlich noch etwas unrealistisch, aber man weiß ja nie, was sich im Leben so ergibt.

Haben Sie durch Ihr doch eher junges Alter Hürden in Ihrer akademischen Karriere erlebt oder eher Vorteile daraus gezogen?
[P. S.]: Ich muss zugeben, mir ist mein Alter gar nie wirklich bewusst aufgefallen. Ich kann mich nicht erinnern, dass mir der Altersunterschied in meiner bisherigen Karriere irgendwann Sorgen bereitet hätte. Man nimmt ja durchaus als Doktorand*in oder als Masterstudent*in an wissenschaftlichen Konferenzen teil, und dort gibt es natürlich eine große Bandbreite unterschiedlicher Persönlichkeiten – von sehr jungen Student*innen bis zu sehr renommierten Professor*innen. Trotzdem habe ich persönlich den Eindruck, dass das Alter in der Forschung keine wesentliche Rolle spielt und man sich immer ernst genommen fühlt. Die Kommunikation fand und findet immer auf Augenhöhe statt.

Welche Tipps würden Sie Studierenden geben, die dieses Jahr Physik an der TU Wien inskri­bieren?
[P. S.]: Das Studium ist in den ersten Semestern sehr mathematiklastig, was durchaus eine Herausforderung sein kann, aber davon sollte man sich nicht entmutigen lassen. Prinzipiell ist es natürlich immer eine Umstellung, von der Schule auf eine Universität zu kommen, aber daran gewöhnt man sich schnell. Niemand beginnt ein Universitätsstudium und findet sofort alles einfach. Umso belohnender ist es, wenn man merkt, dass man die Hürden, mit denen man konfrontiert ist, überspringen kann und mit immer mehr Herausforderungen zurechtkommt. Das war für mich persönlich auch stets ein Antrieb, egal ob am Anfang des Studiums oder jetzt, wo es darum ging, während einer Pandemie auf einen anderen Kontinent zu ziehen – man wächst mit jeder Herausforderung. Prinzipiell würde ich außerdem empfehlen, immer offen zu bleiben, neue Dinge auszuprobieren und beispielsweise zu schauen, welche fachlichen Möglichkeiten es zusätzlich zu den Vorlesungen gibt. Ich nahm zum Beispiel an einer Sommerakademie zum Thema „Plasma und Planeten“ teil und kam auf diese Weise zur Kooperation mit der Universität Bern. Manche Gelegenheiten ergeben sich, ohne dass man sie geplant hat, aber man muss bereit sein, sie beim Schopf ergreifen zu können.

Foto: TU Wien, NASA