Berndorf AG/Christian Husar

ROCKET MAN

Franz Viehböck ist bis jetzt der einzige Österreicher, der in die unendlichen Weiten des Weltalls vorgedrungen ist. Sechs Fragen an einen Mann, der uns mit auf eine Reise durch Raum und Zeit nimmt.

Text: Ekin Deniz Dere Foto: Berndorf AG/Christian Husar

Nach einer zweijährigen Kosmonautenausbildung im russischen Juri-Gagarin-Trainingscenter hob Franz Viehböck am 2. Oktober 1991, vor über 30 Jahren, vom ­Weltraumbahnhof in Baikonur ab und flog ins Weltall – zur mittlerweile nicht mehr existierenden Weltraum­station Mir. Dort verbrachte er neun Tage. In den folgenden zwei Jahren der „Austromir-Mission“ war Viehböck im Auftrag der österreichischen Regierung als Vortragender zu seinen wissenschaftlichen Aktivitäten im Weltraum unterwegs. ­Heute ist Österreichs einziger Astronaut CEO der Berndorf AG; zum ­österreichischen metallverarbeitenden Konzern gehören 60 Unternehmen und rund 2.500 Mitarbeiter mit einem Umsatz von 460 Mio. € (im Jahr 2020).

Wie wird man Astronaut? Was ­mussten Sie damals lernen, bevor Sie ins All ­fliegen durften?
[Franz Viehböck]: Zunächst einmal müssen Sie ausgewählt werden, das ist der erste wichtige Schritt. Natürlich muss man gesund und fit sein, körperlich und geistig. Dann lernt man – in unserem Fall – die Sprache Russisch, danach die ganze ­Theorie, wie das alles aufgebaut ist, wie die Systeme an Bord funktionieren; ­danach alle relevanten theoretischen ­Fächer für die Raumfahrt, auch die Theorie des Fluges im Weltraum und alles von der Rakete bis zur Raumstation und dem Raumschiff. Danach folgt eine entsprechende praktische Ausbildung in Simulatoren, wo der Flug vom Start bis zur Landung in allen Varianten nachgestellt und geübt wird. Nicht zuletzt sind ein intensives Training und die Vorbereitung auf die entsprechenden Experimente notwendig, die wir dann in der Raumstation durchgeführt haben. Da muss zunächst einmal verstanden werden, welche Art Experiment das genau ist, wie es funktioniert, wie man die dafür notwendigen Geräte bedient und wie man diese Experimente durchführt.

In den Weltraum zu fliegen ist im wahrsten Sinne des Wortes eine außerirdische Erfahrung. Wenn Sie an diese Zeit zurückdenken: Wie war das Gefühl, als Sie die Erde wieder berührten?
[F. V.]: Na ja, man braucht etwas Zeit, um die Eindrücke, die man in der Raumfahrt bekommt, zu verarbeiten und gut zu verkraften. Und so gesehen habe ich sicherlich eine Weile gebraucht, um mich wieder an das „normale“ irdische Leben zu gewöhnen. Die ersten Minuten und Stunden nach der Landung waren primär von Frustration geprägt, wenn man wieder auf der Erde ist und einen starken Wunsch verspürt, so schnell wie möglich mit der nächstmöglichen Rakete wieder ins All zu kommen. Natürlich ist man froh, wieder heil auf der Erde zu sein und Familie und Freunde wiederzusehen – aber es kommt immer eine gewisse Wehmut auf, wenn ich merke, dass es für mich lange Zeit keine Möglichkeit mehr geben wird, wieder ins All zu fliegen.

Haben sich die Gefahren in der Raumfahrt im Vergleich zu damals stark ­verringert?
[F. V.]: Das Risiko hat sich sicherlich nicht deutlich reduziert. Es ist nur insofern geringer, als man einfach in den letzten Jahren viel zusätzliche Erfahrung gewonnen hat und dadurch Systeme verbessern konnte – das war inkrementell, nicht ­radikal. So gesehen ist das Risiko nach
wie vor sehr hoch.

Was bedeutet die zunehmende Übernahme von Raumfahrtaktivitäten durch private Organisationen für die Menschen und auch für den Weltraum selbst? Stichwort Weltraumtourismus …
[F. V.]: Prinzipiell ist es gut, dass es viele Initiativen von privaten Raumflügen verschiedener Art gibt, denn das vermehrte Geschehen und die vielen neuen Ent­wicklungen, die stattfinden, tun der Raumfahrt insgesamt gut. Allerdings muss man schon bedenken, dass man hier gewisse Regelwerke für die Zukunft aufstellen sollte. Es macht nämlich einen Unterschied, ob man drei oder fünf Raketen im Jahr startet oder ob es dann vielleicht sogar Hunderte oder Tausende sind. Bei drei Raketen im Jahr zum Beispiel spielt die Umweltverschmutzung eine untergeordnete Rolle, wenn man aber mehrere Hundert oder Tausend Raketen startet, die dann sehr viel Material ins All bringen, sind die Themen Umweltschutz und Weltraumschrott sehr relevant. Mit diesen Themen muss man sich schon jetzt befassen.

Was haben Sie während der Kosmonautenausbildung und Ihrer Zeit im Weltraum gelernt, das Ihnen jetzt bei Ihrer Managementtätigkeit in der Berndorf AG hilft?
[F. V.]: Eigentlich sehr viel, wenn man darüber nachdenkt, was man während Ausbildung und Training und auch in seiner Mission mitbekommen hat. Ganz wichtig ist, dass ich gelernt habe, mit Stress umzugehen, und dass ich meine eigenen Grenzen kennengelernt habe. Auch Teamarbeit, wie erfolgreich ein Team sein kann, wie man ein Team aufbaut, wie man in einem Team arbeitet, wie man ein Team führt et cetera, das sind alles Themen, die in der Raumfahrt, aber auch in der Führungsarbeit von Bedeutung sind.

Wie kommt es, dass Ihnen in den 30 Jahren noch kein Österreicher ins All gefolgt ist? Woran liegt das?
[F. V.]: Das liegt vor allem daran, dass ­Österreich Mitglied der Europäischen Weltraumorganisation ist, aber innerhalb dieser Organisation gibt es ­verpflichtende und freiwillige Projekte. Die bemannte Raumfahrt ist ein freiwilliges Projekt, bei dem die Länder wählen können, ob sie dabei sein möchten oder nicht. Österreich hat sich entschieden, nur die unbemannte Raumfahrt zu unterstützen, daher gibt es derzeit keine Chance für eine Österreicherin oder einen Österreicher, auf diesem Weg ins All zu kommen.

Welche Möglichkeiten gibt es für eine Karriere im Weltraumsektor in Österreich?
[F. V.]: Viele. Auf der wissenschaftlichen Seite gibt es einige Aktivitäten in Österreich, und es gibt mittlerweile über 100 Unternehmen, die aktiv in der Weltraumszene tätig sind. Und man kann auch über die Europäische Weltraumorgani­sation (ESA, Anm.) in vielen anderen ­Ländern in Europa, in denen die ESA vertreten ist, Jobs finden.

Haben Sie heute noch Sehnsucht nach dem All? Oder ist die bereits ver­gangen?
[F. V.]: Das kommt schon vor, wenn man die Gelegenheit hat, sich intensiv mit dem Weltraum zu beschäftigen und wenn man die Kollegen trifft, mit denen man geflogen ist. Das sind natürlich die Momente, in denen man wieder in den Weltraum hinaus­will. Aber das passiert mir nicht mehr so oft wie vor 30 Jahren.

Würden Sie zum Mars fliegen, wenn das zu Ihren Lebzeiten noch möglich wäre?
[F. V.]: Ja, würde ich. Allerdings nur mit einem Return-Ticket!

Franz Viehböck ist der erste und bisher einzige Astronaut in Österreichs Geschichte. Der ehemalige Raumfahrer ist heute bereits seit 20 ­Jahren bei der Berndorf AG tätig, einer metallverarbeitenden Industriefirma, die er seit 2020 als CEO anführt.