RAUS AUS DEN KINDERSCHUHEN

Wissenschaft und Technik entwickeln sich stetig weiter.

Text: tuw.media-Redaktion

Teilweise verschmelzen Forschungsfelder miteinander, teilweise bilden sich auch Ableger von etablierten Disziplinen. Das Institut für Biomedizinische Elektronik ist das jüngste Institut an der Technischen Universität Wien – gegründet wurde es erst im Feb­ruar 2022. Der Grund: Das, was hier erforscht wird, hat erst modernste Technik möglich gemacht. Während es das Ziel der Biomedizin ist, Krank­heiten – gerade auch in einem frühen Stadium – zu erforschen und zu verstehen, schafft die Elektrotechnik Geräte und Systeme, die in den verschiedensten Bereichen Einsatz finden; in Symbiose eröffnen diese beiden Fachrichtungen ganz neue Perspektiven auf den menschlichen Körper.

Am Institut für Biomedizinische Elektronik untersuchen die Wissenschaftler*innen, wie sich Zellen sowohl auf Einzelzellebene als auch in Netzwerken und Geweben verhalten. Von der Nerven- bis zur Krebszelle werden elektrisch aktive Proben in den neuen Laboren untersucht. Dies gelingt dem Team um Günther Zeck, Leiter des Instituts, indem Wissen aus beiden Disziplinen kombiniert wird: „Wir kombinieren biologische Materialien mit Sensoren und Simulatoren, also Know-how, das wir aus der Elektrotechnik haben. Dazu setzen wir unter anderem Vielkanal-Elek­trodenarrays ein, mit denen wir große Datensätze aufzeichnen können“, erklärt Zeck. Zum aktuellen Zeitpunkt verwenden die Forscher*innen vor allem Zelllinien, um neue Methoden zu entwickeln und zu etablieren. Genutzt werden soll das Wissen schließlich für biomedizinische Anwendungen wie tragbare Hardware – zum Beispiel zur optimalen Elektrostimulation –, aber auch für die Modellierung von Biosystemen.

Krankheiten bereits in einem sehr frühen Stadium zu erkennen zählt zu den Zielen der biomedizinischen Elektronik. „Die Ursachen für eine Krankheit können vielfältig sein; was aber als gesichert gilt, ist, dass eine frühere Intervention bessere Behandlungschancen verspricht“, sagt Institutsleiter Zeck. Krebszellen weisen beispielsweise spezifische elektrische Eigenschaften auf, anhand derer sie identifiziert werden sollen. In diesem Projekt arbeitet das Team eng mit Sonia Prado López vom TU Wien-Institut für Festkörperelektronik zusammen.

Während man lange Zeit vor allem die chemische Signalübertragung zwischen Zellen, aber auch innerhalb von Zellen untersuchte, liefert die Kombination mit elektrischen Daten wertvolle Einblicke. Ein Beispiel dafür ist die Forschung von Paul Werginz, der in einem FWF-geförderten Projekt die elektrische Signalübertragung innerhalb von Nervenzellen erforscht. „Nervenzellen sind elektrotechnisch gesehen Analog-­digital-Wandler, wobei verschiedene Typen von Nervenzellen unterschiedliche Eingangs-Ausgangs-Charakteristika haben. Mittels bioelektro­nischer Technologien wie Patch-Clamp oder Vielkanal-Elektrodenarrays können wir messen, wie sich einzelne Zellen während verschiedener Stimulationsarten verhalten“, erklärt Werginz, und weiter: „Die spezifischen biophysika­lischen Eigenschaften einer Nervenzelle scheinen an ihr Eingangssignal angepasst zu sein, damit eine korrekte Signalübertragung gewährleistet wird.“

Junge Forschung genießt die Freiheit, sich ungehindert zu entfalten. Gleichzeitig kann sie auf dem aufbauen, was benachbarte Disziplinen bereits erforscht haben. Die Kinderschuhe hat die biomedizinische Elektronik daher bereits abgestreift. „Gerade für ein so junges Forschungsfeld ist es wichtig, Teamgeist zu zeigen und gut vernetzt zu sein“, ist sich Günther Zeck sicher. An dem neuen Institut kommen Wissenschaftler*innen mit unterschiedlicher Expertise zusammen. Erste Forschungs­ergebnisse präsentierte das Team bereits bei nationalen Fachtagungen, noch heuer sollen weitere internationale Konferenzen in Deutschland und den USA folgen.

Günther Zeck ist Physiker und leitet das Anfang 2022 gegründete Institut für Biomedizinische Elektronik an der TU Wien. Paul Werginz hat Biomedical Engineering an der TU Wien studiert und an der Harvard Medical School (USA) ge­arbeitet. Nun forscht er als Projektassistent am jüngsten TUW-Institut.

Text: Sarah Link
Foto: Dorcas Müller