Streit mit der Belegschaft, Vorwürfe sexueller Nötigung und der ins Stocken geratene Twitter-Deal: Milliardär Elon Musk kommt aus den Negativschlagzeilen nicht heraus. Sein Raumfahrtunternehmen Space X feiert dennoch zurzeit wichtige Erfolge – und ausgerechnet der umstrittene Gründer, dem manche politische Nähe zu rechten Ideologien vorwerfen, ist längst zu einem wichtigen Akteur der staatlichen Raumfahrt der USA geworden, obwohl er die Schlagzeilen vor allem dann beherrscht, wenn er Milliardären private Trips ins Weltall verkauft.
Erst vor einigen Tagen stellte Space X einen neuen Raumfahrtrekord auf: Innerhalb von 36 Stunden und 18 Minuten absolvierte das Unternehmen drei erfolgreiche Raketenstarts von der Vandenberg Space Force Base in Kalifornien und von Cape Canaveral in Florida. Bis zum Jahresende sind noch 50 weitere Starts mit der Falcon-9-Trägerraketengruppe geplant. Space X platzierte Mitte Juni auch 53 Starlink-Satelliten im Weltraum; ein besonderer Erfolg für das Unternehmen ist es, dass die dafür benutzte Falcon-9-Raketenkapsel wiederverwendbar ist und bereits zum 13. Mal flog. Unter den kürzlich von Space X ins All gebrachten Satelliten ist auch der Bundeswehr-Aufklärungssatellit Sarah-1. Die Bundeswehr war vor einigen Jahren dafür kritisiert worden, überhaupt mit dem amerikanischen Privatunternehmen zusammenzuarbeiten, nun bekommt Deutschland durch den neuen Satelliten eines der leistungsstärksten Aufklärungsnetze. Fachleuten zufolge kommt diesem auch wegen des Ukraine-Kriegs eine wichtige Rolle zu.
Die Zusammenarbeit mit staatlichen Akteuren ist für Space X längst nicht mehr neu. Das Raumfahrtunternehmen ist zwar vor allem dafür berühmt, dass Musk von der Kolonisation des Mars träumt, doch schon seit mehreren Jahren arbeitet Space X eng mit der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa zusammen und bringt seit 2012 auch Astronauten zur Internationalen Raumstation ISS. Im vergangenen Jahr erhielt das Unternehmen allein 300 Millionen Dollar von der Nasa, um an einem neuen Mondlandesystem zu arbeiten. Insgesamt hat der Auftrag ein Volumen von 2,9 Milliarden Dollar – obwohl Wettbewerber wie Blue Origin und Dynetics protestierten, ist Space X damit der einzige private Nasa-Partner, der an dem Landesystem arbeitet, das die ersten Astronauten seit den Apollo-Missionen zum Mond bringen könnte.
Dass Elon Musks Unternehmen heute ein so zentraler Akteur der staatlichen Raumfahrt Amerikas ist, wird von vielen Menschen kritisch gesehen – und es war in den ersten Jahren von Space X keineswegs absehbar. Musk war Mitgründer des Bezahldienstes Paypal und mit 30 längst Multimillionär, als er 2002 beschloss, in die Weltraumforschung zu investieren. Sein Traum war es, ein kleines Gewächshaus mit Samen und Nährlösung auf der Marsoberfläche zu platzieren und abzuwarten, was passiert – doch wenn das Projekt jemals dem Mars auch nur nahe kommen sollte, würde Musk entweder amerikanische Raketenhersteller für den Transport bezahlen oder eine eigene Rakete kaufen müssen. Musk fragte bei den Russen an, die ihm eine wiederverwertbare Dnepr-Rakete verkaufen wollten – doch der Deal platzte. Musk, US-Amerikaner mit südafrikanischen Wurzeln, startete sein Unternehmen dann mit einer Gruppe erfahrener Raumfahrtingenieure – das Geld kam letztlich auch vom amerikanischen Staat.
Heute ist Space X ein Beispiel dafür, wie nicht etwa der Unternehmergeist allein, sondern auch gezielte Investitionen der Regierung private Akteure zum Erfolg führen. Zwischen 2000 und 2018 investierten die USA laut der Beratungsfirma Space Angels 7,2 Milliarden Dollar in 67 Unternehmen der Raumfahrtbranche. Bei der Erschließung des Alls gehe es eben nie darum, dass Privatunternehmen wie Space X losgelöst von der Nasa Entscheidungen träfen, sagte Space-Angels-Chef Chad Anderson in einem Interview: „Allein hätten die das nie geschafft.“ Die Regierung habe vielmehr eine Schlüsselrolle gespielt. Allein 93 Prozent der Nasa-Investitionen gingen in die Entwicklung von Raketen, die Güter und Menschen ins All transportieren können. Space X hatte in den ersten zehn Jahren seiner Existenz demnach eine Milliarde Dollar zur Verfügung – die Hälfte davon aus Verträgen mit der Nasa. Ohne diese Zusammenarbeit hätten Musk und seine Ingenieure auch die erste Dragon-Trägerkapsel im Jahr 2012 nicht zur Internationalen Raumstation
ISS bringen können.
Sein umstrittenes Ziel, den Mars zu erobern, verlor Musk dabei nie aus den Augen. Inzwischen räumte die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA (Federal Aviation Administration) eine der Hürden für das Mars-Abenteuer aus dem Weg: Kürzlich definierte sie 75 Bedingungen, die Space X erfüllen müsse, damit der geplante Start der Orbitalrakete Starship von Texas aus erfolgen könne. Mit 119 Metern wäre sie die größte Rakete aller Zeiten im All – ihr Antriebsschub soll doppelt so stark sein wie der der Mondrakete Saturn V, die 111 Meter maß. Bevor Starship den ersten Flug machen kann, muss Space X unter anderem Umweltauflagen genügen – so müssen Sachverständige die Folgen für die lokale Tier- und Pflanzenwelt abschätzen, die Bevölkerung muss angemessen vorgewarnt werden, die Räumung von Trümmerteilen nach dem Start muss geregelt sein. Die Behörde erklärte kürzlich, dass umfassende negative Effekte auf die Umwelt aber nicht zu erwarten seien. Musk sagte daraufhin, er sei nun optimistisch, dass die größte Rakete der Welt in diesem Jahr endlich starten könne. Allerdings stehen die staatlichen Prüfungen sonstiger Risiken noch aus, sodass viele Fachleute die Ankündigung für voreilig halten. Sollte die FAA letztlich keine Genehmigung in Texas erteilen, könnte Starship wohl auch von Florida aus starten. Der erste Flug ist als Test mit Ziel Hawaii geplant; Musks erklärtes Ziel ist es aber, mit Starship 150 Tonnen Fracht ins All schießen zu können und bis zu dreimal täglich zu starten. Mit einer Flotte von zehn Starships könne man eines Tages eine Million Tonnen Fracht pro Jahr ins All bringen, hatte der Milliardär im Februar formuliert – an die „Stadt auf dem Mars“, die er dann beliefern wolle, glauben dennoch derzeit noch eher nur wenige.
Elon Musk, geboren 1971 in Pretoria, ist Unternehmer und Milliardär sowie Staatsbürger der USA, Kanadas und Südafrikas. Er gründete unter anderem die Unternehmen X.com (später Paypal), Tesla und Space X und ist laut Forbes-Liste der reichste Mensch der Welt; sein Privatvermögen wird auf 203 Milliarden Dollar geschätzt. Im Jahr 2001 begann Musk, sich in der Mars Society zu engagieren, ein Jahr später gründete er Space X. Neben anderen Satelliten stellt die Firma auch die Starlink-Satelliten her, die im Ukraine-Krieg die Internetversorgung sichern sollen. Musk bot kürzlich 44 Milliarden Dollar für die Übernahme von Twitter, der Deal ist aber noch nicht abgeschlossen. Der Milliardär gilt politisch als libertär bis rechtslastig. Bei den Wahlen 2016 und 2020 stimmte er für die Demokraten, kündigte 2022 aber an, er wolle Floridas republikanischen Gouverneur Ron DeSantis unterstützen, falls dieser 2024 bei der Präsidentenwahl antreten werde.