MIT EINEM LAUTEN KNALL ZUM ERFOLG

Als Informatikstudent in der Freizeit an Raketenantrieben rumschrauben und Satelliten ins Weltall schicken?

Text: Lela Thun

Wie der 23-jährige Patrick Enzenberger mit Brennstoffen und Raketenantrieben mehr über Führungspotenzial, Hands-on-Skills und Technik gelernt hat als in drei Jahren Studium, erzählt er im Gespräch.

Wir treffen Patrick ­Enzenberger in der Werk­statt des TUW Space Teams in St. Marx. Neben dem Space Team baut hier auch das TUW Racing Team an seinen Projekten, somit ist das riesige garagenähnliche Gebäude voll von jungen Menschen, die mit ohrenbetäubend lauter Musik an Maschinen basteln. Hier stehen Rennautos neben Raketenantrieben – und mittendrin ist Patrick Enzenberger, der junge Präsident des TUW Space Teams. Ob wir eine kleine Führung durch die Räumlichkeiten haben wollen? Na klar wollen wir! Zuerst führt er uns zu einem Anhänger, auf dem sich ein riesiges Metallgestell befindet. „Das ist Franz“, so Enzenberger stolz, „der größte Raketen-Teststand in Österreich. Er kann einem Schub von 24 Kilonewton standhalten.“ Neben den Testständen hat das TUW Space Team schon über 50 Flüssig- oder Feststoff­raketen gebaut und den einen oder anderen Satelliten ins All geschickt. Enzenberger führt uns weiter durch eine Vielzahl an Büros und Räumlichkeiten, in denen Student*innen arbeiten, essen und sich ausruhen. „Wir arbeiten in der gleichen Halle wie das Racing Team, kommen gut untereinander klar und helfen uns regelmäßig mit Material und Know-how aus“, erzählt der 23-Jährige.

Der 1998 in Wien geborene Patrick Enzenberger besuchte ein Realgymnasium im zwölften Bezirk, wo ihm die naturwissenschaftlichen Fächer wie Mathematik und Physik von Anfang an sehr am Herzen lagen. So kam es, dass er nach seiner Matura begann, an der TU Wien Technische Mathe­matik zu studieren. „Obwohl ich Mathe bis heute richtig toll finde, habe ich schnell gemerkt, dass das Studium nichts für mich ist“, so der Student. Als er im Zuge seiner Mathematik-Karriere auf das Programmieren und die Informatik stieß, hat Enzenberger beschlossen, das Lager zu wechseln.„Ich bin ein Spätzünder, was das Programmieren angeht. Viele Informatikstudenten haben ja schon mit zwölf oder so zu pro­grammieren begonnen, ich habe das erst im Zuge des Studiums gelernt“, erzählt er lachend. Zur selben Zeit hat Enzenberger durch Zufall vom TUW Space Team erfahren und schnell beschlossen, ein Teil des Teams werden zu wollen. Seit drei Jahren ist er nun hobbymäßiger Luft- und Raumfahrt­ingenieur –
und seit diesem Jahr auch Präsident.

Enzenbergers Karriere im Space Team fing an wie jede andere auch. Beim sogenannten „First Project“ werden Space-Team-Neulinge in Kleingruppen eingeteilt und müssen ihre erste eigene Rakete bauen. Wirkliche Vorkenntnisse über den Raketenbau hatte Enzenberger vor seiner Arbeit im TUW Space Team nicht. „Ich meine, wer hat das schon?“, fragt er schmunzelnd. „Ich habe hier alles gelernt, nicht nur das Raketenbauen, sondern auch, wie man ein Team leitet, Ressourcen managt und Verantwortung übernimmt.“

Das TUW Space Team wurde vor zehn Jahren von zehn raumfahrtbegeisterten jungen Menschen gegründet, heute ist es ein unabhängiger Verein mit über 200 Mitgliedern, die meisten davon sind Studenten der TU Wien. Dennoch sieht sich das TUW Space Team, obwohl es die TU im Namen hat, als unabhängig. Enzenberger: „Die TU stellt uns die Räumlichkeiten zur Verfügung, ist aber sonst ein Sponsor wie jeder andere auch.“ Heute sind die 200 Mitglieder begeisterte Raumfahrt­ingenieure,
die viel Zeit in ihr außer­gewöhnliches Hobby investieren wollen. „Wir betreiben keine Forschung im klassischen Sinn und es geht uns auch nicht nur darum, dass es auf der Welt einfach ein weiteres Raketentriebwerk oder einen weiteren Satelliten geben soll. Wir investieren hier unser Herzblut, weil wir die Arbeit im Verein und die Projekte, die wir umsetzen, einfach geil finden – und weil wir unglaublich viel dabei lernen.“ Dieses von Spaß und Interesse ge­triebene Lernen ist etwas, das Enzenberger im Studium an der TU Wien fehlt. Obwohl das Interesse an der Raumfahrt für TU-Studenten groß ist, bietet die Universität kein vergleichbares Studium an. Alle Studenten, die also im weitesten Sinne an „Space Engineering“ interessiert sind, landen früher oder später im Space Team.

Ich habe hier alles gelernt, nicht nur das raketenbauen.

Patrick Enzenberger studiert Informatik an der TU Wien und ist seit 2022 Präsident des TUW Space Teams.

Im Laufe der drei Jahre konnte Enzenberger mit dem Space Team so einige Erfolge feiern. Sein per­sönlich größter Erfolg war ausgerechnet sein erstes eigenes Projekt. „Ich war zum ersten Mal in einer Führungsposition und habe damals mit meinem Team eine Rakete für einen großen internationalen Wettbewerb in Portugal gebaut. Da wir recht jung waren, wurden wir für den letzten Startslot eingeteilt. Sollte es bei einem anderen Team also zu Verzögerungen kommen, hätten wir vielleicht gar nicht starten können. Am Flugtag waren wir schon weit vor Beginn der Dämmerung die Ersten am Flugfeld und haben mit unseren Vorbereitungen begonnen. Tatsächlich hatte ein anderes Team Probleme, wir waren aber bereit und konnten kurzfristig für den Startslot ­einspringen. Das war der erste erfolgreiche studen­tische High-­Power-Raketenstart in Portugal, wodurch wir den Preis für Innovation gewonnen haben.“

Ob er später auch beruflich in die Raumfahrt gehen möchte? Enzenberger überlegt: „Ich habe schon ein paar Anfragen von Unternehmen aus der Raumfahrttechnik bekommen, weil die Hands-on-Skills, die wir uns im Space Team selbst beigebracht haben, sehr gefragt sind. Ob ich das tatsächlich später beruflich machen will, weiß ich noch nicht. Im Moment erlaube ich mir, ganz im Jetzt zu leben und meine Zeit im Space Team zu genießen.“ Spaß macht dem 23-Jäh­rigen die Arbeit auf jeden Fall, denn er hat vor, noch ein paar Jahre als TUW Space Team-Präsident die Raketen knallen zu lassen.