Voltstorage

HÄUSER AUFLADEN

Um erneuerbare Energien effizient einsetzen zu können, braucht es neue Speicherlösungen. Felix Kiefl denkt, mit Voltstorage eine nachhaltige Alternative zu bisherigen Batterietypen gefunden zu haben.

Text: tuw.media-Redaktion Foto: Voltstorage

In den vergangenen 20 Jahren hat sich der globale Stromverbrauch laut der US-Statistikbehörde Energy Information Administration nahezu verdoppelt – und laut Daten der International Energy Association stammen knapp 80 % der weltweiten Energie aus Kohle, Öl und Gas. Diese fossilen Energiequellen sollen künftig durch erneuerbare Energien wie Photovoltaik ersetzt werden. Das Potenzial ist groß: Laut dem Bayerischen Landesamt für Umwelt liefert die Sonne der Erde in einer Stunde so viel Energie, wie die Menschheit in einem Jahr verbraucht – allerdings scheint die Sonne nur tagsüber. Zwar speichern wir die Energie aus Photovoltaikanlagen in den Batterien von Autos, Computern und Smartphones, Stromspeicher in größeren Dimensionen sind jedoch noch nicht sehr verbreitet. Steigt die Zahl der Photovoltaikanlagen, erhöht sich aber auch das Potenzial von Stromspeichern – und genau hier sieht Voltstorage-Gründer Felix Kiefl (Forbes-„Under 30“-Listmaker 2018 für die DACH-Region) mit seinem Team eine riesige Chance.

Das Münchner Start-up baut Akkus auf der Basis einer Technologie mit dem Namen Vanadium-Redox-Flow. Voltstorages Zielgruppe sind Privathaushalte – denn auf den Dächern privater Häuser finden sich mehr und mehr Solarpanels, wodurch stationäre Batterien immer beliebter werden. Laut dem Datenanbieter Statista soll bis 2024 mehr als doppelt so viel wie heute in Energiespeicher investiert werden; derzeit liegt dieser Wert bei 8,2 Milliarden US-$ weltweit. Der bisher gängigste Batterietyp, die Lithium-Ionen-Batterie, hat jedoch einige entscheidende Nachteile: Die Produktion der Akkus ist aufwendig, sie verlieren mit der Zeit an Kapazität und sind zudem leicht entflammbar. Mit der Vanadium-Redox-Flow-Technologie bietet Voltstorage eine Alternative, die ohne die genannten Probleme auskommt. Redox-Flow-Batterien verlieren selbst nach 10.000 Ladungen nicht an Kapazität, sind nicht brennbar und benötigen keine so seltenen Ressourcen wie Lithium-Ionen-Akkus. Jedoch benötigen sie aufgrund ihrer Bauweise viel Platz und können schon mal die Größe eines Schiffscontainers oder einer kleinen Halle erreichen. Daher fanden sie bisher nur in der Industrie Anwendung.

Voltstorage wurde 2016 von Jakob Bitner, Michael Peither und Felix Kiefl (von li. nach re.) gegründet. Nach einer mehrjährigen Entwicklungsphase brachten sie Anfang 2019 ihre erste Vanadium-Redox-Flow-Batterie auf den Markt.

Verkleinerungskur
Besagte Industrietechnologie hat Voltstorage „verkleinert“, um sie in die Keller von Ein- und Mehrfamilienhäusern zu bringen – wobei die Entwicklung aber eine Zeit dauerte. Kiefl gründete Voltstorage im Jahr 2016 gemeinsam mit Michael Peither und Jakob Bitner, die ersten Batterien verkaufte das Unternehmen jedoch erst Anfang dieses Jahres. Dazwischen lag eine mehrjährige Prototypenphase, in der sich Kiefl und sein Team darauf konzentrierten, die Technologie tauglich für die Serienproduktion zu machen.

Da die Entwicklung von Hardware in Deutschland laut Kiefl vergleichsweise teuer und langwierig ist, verbrachten die drei Gründer in der Anfangszeit des Unternehmens vier Monate in Shenzhen in China. Dank einer Finanzspritze des amerikanischen Investitionsfonds SOSV nahmen sie am Förderprogramm des Hax-Accelerators teil, einem Accelerator-Programm für Hardware-Start-ups in Shenzhen und San Francisco. In China bauten Kiefl und Co in kürzester Zeit die ersten Prototypen ihrer ­Vanadium-Redox-Flow-Batterie. „Innerhalb von drei Monaten hielten wir die ersten Spritzgussteile in der Hand. So etwas ist in Deutschland schlichtweg nicht ­möglich“, erklärt Kiefl.

Die Forschungsarbeit hat sich ausgezahlt: Heute baut Voltstorage quaderförmige weiße Strom­speicher, die etwa Brusthöhe erreichen; sie erinnern ein wenig an Kühlschränke. Mit einer Kapazität von 6,2 Kilowattstunden sammeln die Speicher knapp die Hälfte des Stroms, den eine vierköpfige Familie an einem Tag benötigt. Damit kann der eigene Verbrauch aus einer Photovoltaikanlage laut Voltstorage nahezu verdoppelt werden, was umweltfreundlicher und günstiger ist, als Strom aus dem Netz zu beziehen.

Ein Nebenprodukt als Brennstoff
Im Grunde ist eine Vanadium-Redox-Flow-Batterie keine klassische Batterie. Sie erinnert vielmehr an eine Brennstoffzelle, denn die Energie wird in einer Elek­trolyt-Flüssigkeit gespeichert, in der im Fall von Voltstorage Vanadium-Ionen (ein Metall, das vor allem bei der Stahlproduktion in Form von Schlacke anfällt) gelöst sind. Wenn diese Flüssigkeit dann durch eine bestimmte Zelle gepumpt wird, wird chemische Energie in elektrische umgewandelt – oder umgekehrt. Als ­Energieträger dienen die Vanadium-Ionen. „Ein Großteil unseres ­Vanadiums ist ein Nebenprodukt der Stahlindustrie“, sagt Kiefl. Teilweise wird Vanadium aber auch direkt abgebaut, wobei die größten Reserven laut der US-Wissenschaftsbehörde US Geological Survey in China und Russland liegen.

Voltstorage …
… wurde 2016 von Jakob Bitner, Michael Peither und Felix Kiefl (von li. nach re.) gegründet. Nach einer mehrjährigen Entwicklungsphase brachten Sie Anfang 2019 ihre erste Vanadium-Redox-Flow-Batterie auf den Markt.

Wegen der Flüssigkeit benötigen die Redox-Flow-Batterien aber auch Tanks, und das macht sie schwerer und unbeweglicher als Lithium-Ionen-Akkus. „Deshalb werden Laptops, Handys oder Autos wohl noch länger von den bisherigen Batterietypen mit Strom versorgt“, meint Kiefl. „Aber gerade bei stationären Stromspeichern, wo es nicht auf jedes Gramm ankommt, ist es sinnvoll, auf andere Ressourcen zurückzugreifen.“ Gefährlich sei die Elektrolyt-Flüssigkeit nicht, laut Kiefl fällt sie in dieselbe Gefährdungsklasse wie Heizöl und lässt sich zu fast 100 % recyceln.

Ich bin überzeugt, dass wir in Europa unseren Strom zu mehr als 90 % aus erneuerbaren Energien beziehen könnten.

Felix Kiefl, Gründer Voltstorage

Häuser statt Straße
Vor der Gründung von Voltstorage war Kiefl in der Autobranche tätig. Der Deutsche studierte Ingenieurwissenschaften an der Universität Bayreuth und Elek­trotechnik an der Universität München, engagierte sich bei der Formula Student (einem Ingenieurwettbewerb für Student*innen, im Zuge dessen sie mit selbst gebauten Rennwagen gegeneinander antreten) und arbeitete unter anderem beim Autozulieferer Continental sowie bei
BMW. Im Zuge der Arbeit an den Elek­trofahrzeugen merkte er, dass sich in der Automobiltechnik in naher Zukunft wohl nicht mehr viel bewegen lassen wird. „Die großen Probleme von Elektroautos sind gelöst – jetzt geht es hauptsächlich um Kostenoptimierung“, erklärt Kiefl.

Um tatsächlich etwas in der Welt zu bewegen, müsse man direkt bei der Energieversorgung ansetzen. „Ich habe festgestellt, wie wichtig Speicher für erneuerbare Energien sind; denn allein mit aktuellen Technologien wie Lithium-Ionen-Akkus werden wir bald ein Ressourcenproblem bekommen.“ Die Menge der weltweit gespeicherten Energie wird in den kom­menden Jahren rapide ansteigen: Laut
dem Beratungshaus EY beträgt die weltweite Speicherkapazität für Energie heuer knapp 21 Gigawattstunden, im Jahr 2024 sollen es 81 Gigawattstunden sein. Dass es deshalb neue Technologien braucht, ist auch den Investoren bewusst – bis 2030 sollen laut der Datenplattform ­Statista mindestens 18 % aller Investitionen in Energiespeicher in Deutschland in Redox-Flow-Batterien fließen.

Wachstumspläne
Mittlerweile hat sich Voltstorage vom ­damaligen Gründertrio zu einem Unternehmen mit insgesamt 29 Mitarbeiter*innen entwickelt. Nachdem Kiefl und sein Team Anfang des Jahres mit der Serienproduktion ihrer Batterien begonnen haben, haben sie bisher gut 100 Batterien in Deutschland, Österreich und der Schweiz verkauft. Bis 2020 sollen die Produktions- und Verkaufs­zahlen weiter steigen. Als Start-up hat Voltstorage jedoch nicht die Kapazität, um die Batterien selbst auszuliefern – das übernehmen Zwischen­händler wie Elektroinstallationsbetriebe oder Fertighaus-Unternehmen. End­kunden bezahlen für eine Voltstorage-Batterie je nach Händler durchschnittlich 8.000 €. Vergleichbare Lithium-Ionen-Akkus kosten ähnlich viel. Konkrete Umsatzzahlen will Kiefl keine nennen, der bisherige Jahresumsatz liege jedoch im Bereich von 300.000 bis 500.000 €.

Mittel- bis langfristig soll Voltstorage der führende Anbieter für seriengefertigte Redox-Flow-Batterien werden, so Kiefl. Dafür sollen neben Vanadium künftig auch andere Ausgangsmaterialien zur Anwendung kommen; welche genau, ist allerdings noch unklar. Ebenso seien größere Speichersysteme mit einer Kapazität zwischen 50 und 100 Kilowattstunden in Entwicklung. Vorerst liegt all das aber noch in der Zukunft; zuerst geht es Kiefl da­rum, die Batterie auf dem Markt der Privathaushalte bekannt zu machen – wobei er auch mit ein wenig mehr Konkurrenz kein Problem hätte: „Wenn noch ein oder zwei weitere Hersteller auf den Markt kommen, würde das den Ruf von Vanadium-Redox-Flow-Batterien bei den Kunden stärken“, erklärt er.

Nicht nur für Haushalte, sondern auch für ganze Länder und Kontinente seien Stromspeicher ein wichtiges Thema, sagt Kiefl. Derzeit sind europäische Batteriehersteller wie Northvolt oder Saft von ­asiatischen Zulieferern abhängig und die großen Produzenten wie Panasonic,
CATL, LG Chem, Samsung, BYD oder SKI sitzen ohnehin alle im Osten. Redox-Flow-Akkus auf Vanadiumbasis würden der europäischen Batterieindustrie neue Chancen eröffnen: Sie lassen sich nämlich relativ einfach lokal produzieren.

Neue Stromspeicher-Typen seien auch essenziell, um die weltweiten CO2-Emissionen deutlich zu reduzieren. „Ich bin überzeugt, dass wir in Europa unseren Strom zu mehr als 90 % aus erneuerbaren Energien beziehen könnten“, so Kiefl. „Dafür braucht es aber den ­nötigen ­politischen Durchsetzungswillen und Speichertechnologien.“ Um ganze Städte unabhängig von Kohle- oder Atomstrom zu machen, müsse man ebenso in große zentrale Stromspeicher investieren. Mit seinen Vanadium-Redox-Flow-Batterien geht Kiefl einen ersten Schritt in Richtung einer solchen Zukunft – einer Zukunft mit einer nachhaltigeren Energieproduktion und geringerer Umweltbelastung.