Die Fans von Krypton-Währungen müssen dieser Tage besonders leidensfähig sein.
Denn im Sommer 2022 wirkt es plötzlich, als habe man dem Geld von morgen den Stecker gezogen. Der Bitcoin-Wert sinkt immer weiter und mit ihm andere Digitalwährungen. Auch das eine Folge von Inflation und trüben Wirtschaftsprognosen.
Doch Lukas Aumayr, Experte für Blockchain und Kryptowährungen, lässt die Krise am Krypto-Markt kalt. Er sagt: „Das macht mich nicht nervös, ich schaue eher auf die langfristige Entwicklung und die Technologie dahinter.“ Der Forscher der TU Wien ist überzeugt, dass dezentrale Zahlungsmittel bald zum Alltag gehören – auch dank seiner Arbeit. Aumayr ist mit erst 28 Jahren ein führender Experte in den Forschungsfeldern Kryptowährungen und Blockchain, vor allem, wenn es um das Skalieren von Systemen und Off-Chain-Protokollen geht. Und der Doktorand am Institut für Logic and Computation hat ein ehrgeiziges Ziel: Er will aus Bitcoin ein Zahlungsmittel für die Masse machen.
Doch wie erklärt er eigentlich seiner Oma seinen Job?
Aumayr schmunzelt. Früher habe er der 89-jährigen Großmutter in Oberösterreich nur gesagt: „Ich mache was mit Bitcoin.“ Inzwischen könne er ihr detaillierter seinen Beruf erklären, meist so: „Ich helfe dabei, Geld zu digitalisieren, damit man in Zukunft einfacher damit bezahlen kann.“ Doch dann wird es schnell abstrakt.
Aumayr muss komplexe technologische Problemelösen. Mit Bitcoin sind maximal zehn Transaktionen pro Sekunde möglich. Das ist global betrachtet sehr wenig. Zum Vergleich: Kreditkarten schaffen 10.000 Transaktionen pro Sekunde.
Wie lassen sich Bitcoin-Zahlungen also skalieren?
Aumayrs Ansatz: Statt alle Transaktionen dezentral in der Blockchain zu speichern, wird ein Teil ausgelagert und später wieder ins Protokoll eingefügt. Ein kleiner Umweg, um schneller ans Ziel zu kommen – so die Idee. Wenn Aumayr also mal eben seinen Kaffee bezahlt, wird dieser Bezahlvorgang nur zu Beginn und am Ende in einer Serie an Transaktionen in die Blockchain eingetragen. Eine smarte Idee, um das Transaktionslimit, das im System steckt, zu umgehen.
Klingt kompliziert – ist es auch. Denn diesen Prozess zu verschlanken und gleichzeitig die Sicherheit zu garantieren, das sei „nicht ganz trivial“, sagt Aumayr und meint wohl: Es ist verdammt schwer. Userdaten können dabei entwendet oder Geldtransfers gesperrt werden. Außerdem muss in diese Prozesse ein Geldbetrag eingebracht werden, als Sicherheit. Mit seinen „Blitz-Zahlungen“ konnte Aumayr viele dieser Probleme beheben. Tests zeigen, dass es mit seinem Protokoll viel seltener zu fehlgeschlagenen Transaktionen kommt als in herkömmlichen Netzwerken.
Aumayr kooperiert mit Forschenden vom IMDEA Software Institute in Madrid und der Purdue University in den USA. Dem Team sind große Fortschritte gelungen. Im vergangenen Jahr präsentierte Aumayr seine Ansätze beim Usenix Security Symposium in Boston, USA; es folgten Schulterklopfen und bewundernde Worte. Dass dezentrale Digitalwährungen in 20 Jahren alltäglich sind, daran hat er kaum Zweifel.
Was ihn besorgt, sind digitale Währungen als Werkzeuge für autoritäre Regime. „Man sieht in China, wie Digitalwährungen Tür und Tor öffnen, um Leute zu überwachen, ihr Vermögen zu kontrollieren oder es an Sozialkreditsysteme zu koppeln“, sagt Aumayr. Und: „Ich hoffe, dass wir in Europa nicht diesen Weg gehen.“
Aumayr wuchs in St.Pölten auf und zog erst zum Studium nach Wien. Computer faszinierten ihn früh; zunächst der alte Macintosh seines Vaters, später das Game „Warcraft 3“, das ihn zum Programmieren animierte. Für seine Masterarbeit entwickelte Aumayr eine künstliche Intelligenz, die Kursschwankungen bei Kryptowährungen prognostiziert. Die aktuelle Krise konnte aber auch diese nicht vorhersagen – Aumayr hat das System länger nicht mehr mit Daten gefüttert, sein Schwerpunkt hat sich inzwischen verlagert.
Um dem digitalen Kosmos der Daten und Blockchains zu entkommen, sucht Aumayr beim Joggen die analoge Erfahrung, gerne geht er mal zehn Kilometer am Marchfeldkanal entlang laufen. Diesen Sommer pausiert er seine Forschung und arbeitet drei Monate für ein Blockchain-Unternehmen in Zürich. Dass er irgendwann eine eigene Firma gründe, sei möglich, sagt er. Doch in der Forschung wolle er vorerst bleiben.
Die aktuellen Turbulenzen am Krypto-Markt werden wohl auch seiner inzwischen
recht gut informierten Oma nicht entgangen sein. Er wird sie beim nächsten Besuch in Oberösterreich also ein wenig beruhigen müssen. Und vielleicht, sagt er, richte er ihr dann endlich auch mal eine Wallet für digitales Geld ein.